Das Auto neu denken

35 Jahre lang haben es die deutschen Autobauer abgelehnt, ein Hybrid-Auto zu entwickeln, obwohl die Hybrid-Technologie an der Hochschule Aachen erfunden wurde – und zwar von zwei deutschen Professoren schon im Jahr 1972! Die hiesigen Auto-Bosse reagierten jedoch typisch deutsch, aber wenig intelligent: „Hybrid? Kennen wir nicht, wollen wir nicht, machen wir nicht.“ Aber jetzt haben es plötzlich alle furchtbar eilig mit der Umweltliebe und mit den Umweltautos.

Denn Toyota, das sich durch die Aachener Professoren von den Vorteilen der Hybrid-Technik schließlich überzeugen ließ, hat seinen „Prius“-Hybrid inzwischen zwei Millionen mal verkauft. Ein Riesenerfolg, der auch zu vielen neuen Arbeitsplätzen in Japan führte. In den USA ist der „Prius“ geradezu ein Kult-Auto geworden. „Hybrid“ steht für die Kombination eines Elektromotors mit einem klassischen Benzinmotor, wobei das Auto den Strom durch über seine Abrieb- und Bremsenergie selbst produziert. In Hollywood ist das Fahren eines Hybrid-Autos geradezu Voraussetzung, um noch auf den Roten Teppich zu dürfen. „Eco is sexy“ sagt Kaliforniens grüner Terminator Arnold Schwarzenegger gerne. Er fährt selbst ein Hybrid-Auto.

Die Umweltauflagen für Autos werden weltweit immer strenger – und das Benzin bald wieder teurer. Jetzt endlich wollen auch die deutschen Autobauer auf den bereits fahrenden Öko-Zug aufspringen. Auf dem Genfer Autosalon konnte man die neuen deutschen Öko-Bemühungen soeben besichtigen. Elektrisch, kleiner und leichter sollen die Autos der Zukunft werden. Unter den Herstellern von Elektro-Autos herrscht geradezu eine Goldgräberstimmung. Der Autoindustrie geht gerade ein Licht auf. Sie lernt das bisherige Fremdwort „öko“ zu buchstabieren.

Bald dürfen in Europa nur noch Autos fahren, die nicht mehr als 120 Gramm CO2 pro Kilometer ausstoßen. Der neue „Prius“-Hybrid von Toyota schafft es auf unter 90 Gramm. Wieder einmal zeigt sich: Deutsche Techniker waren zwar die ersten beim Entwickeln von Zukunfts-Technologien, aber beim Umsetzen haben die Japaner die Nase vorn. Kein Wunder, dass Japan etwa die Hälfte der deutschen Arbeitslosenzahlen hat. Die Bundeskanzlerin sagt völlig zu recht: „Wir haben überhaupt keine Erkenntnisprobleme, wohl aber Umsetzungsprobleme.“ Die deutschen Bedenkenträger lassen grüßen.

Expo für Nachhaltige MobilitätThe Electic Avenue / Messe Friedrichshaften

Doch jetzt – mitten in der Krise – wollen auch die deutschen Autobauer endlich innovativer und zukunftsfähiger werden. Klaus Dräger, Vorstand von BMW: „BMW wird Wasserstoff-Autos bauen“. Thomas Weber, Daimler-Vorstand: „Unser Smart kommt bald mit Elektromotor.“ Und Ulrich Hackenberg vom VW-Vorstand: „Unsere Modelle werden künftig über Antriebe verfügen, die a l l e Energieträger verdauen.“ Brasilianische Autos machen das seit Jahrzehnten – auch die in Brasilien gebauten deutschen Automarken. Insgesamt jedoch spannende Zukunfts-Visionen, wenn auch mindestens ein Jahrzehnt zu spät, aber vielleicht noch nicht zu spät. Die deutsche Verspätung erklärt zumindest einen Teil der jetzigen Krise der heimischen Autobauer mit Kurzarbeit, Entlassungen und einem Drittel weniger Autoverkäufen als noch vor einem Jahr.

Die erfolgreichste Zukunfts-Devise heißt: Adieu Oberklasse! Der Markt dreht sich jetzt massiv in Richtung Kleinwagen. Aber darauf sind die auf Spritfresser ausgerichteten deutschen Autobauer einfach nicht vorbereitet. Deshalb kommt die deutsche Abwrack-Prämie, finanziert vom deutschen Steuerzahler vor allem italienischen und französischen Herstellern zugute, die schon immer vernünftigerweise kleinere und sparsamere Autos gebaut und damit große Geschäfte gemacht haben. So verkauft zum Beispiel Renault – begünstigt durch die hiesige Abwrack-Prämie – 2009 sechsmal mehr Kleinwagen in Deutschland als noch vor einem Jahr.

Die US-Autobauer – ebenfalls auf Riesenschlitten fixiert – stehen ohnehin vor der Pleite. Und selbst Toyota steckt in finanziellen Schwierigkeiten. Wir müssen das Auto für die Zukunft neu denken. Das Motto einer intelligenteren Mobilität kann nur heißen: Weit mehr attraktiven Öffentlichen Verkehr als bisher mit intelligent vernetzten Bahn-, Bus- und Straßenbahnangeboten und den restlichen Verkehr mit sparsameren Autos anstatt mit den bisherigen Dreckschleudern. Bei steigenden Energiepreisen werden immer mehr Menschen auch lernen, dass Autofahren heilbar ist. Schließlich verpestet e i n Liter Benzin über 10.000 Liter Luft – wie wollen wir diesen Auto-Wahnsinn gegenüber künftigen Generationen je verantworten? Wir verbrennen heute an e i n e m Tag soviel Kohle, Gas und Öl wie die Natur in 500.000 Tagen geschaffen hat. Auch in unseren Autos.

Aber schon in den nächsten Jahren werden viele Erfindungen die Autos umweltfreundlicher und sparsamer machen. Bislang galt beim Autobau der Grundsatz: größer, schwerer, leistungsfähiger. Künftig wird eher gelten: kleiner, leichter und verbrauchsgünstiger. An neuen Batterietechniken wird weltweit gearbeitet, ebenso an effizienteren Hybrid-Lösungen und erst recht am Elektromotor oder an der Brennstoffzellen-Technologie. Zunächst einmal soll der Elektro-Antrieb die angeschlagene Branche retten. Sie steht derzeit buchstäblich unter Strom.

> Tesla Model S

Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht die weltweite Autoindustrie am Scheideweg: „2009 ist für die Autobranche ein Darwin-Jahr.“ In diesem Jahr müssten die Weichen neu und richtig von denen gestellt werden, die sich in der „automobilen Evolution“ behaupten wollen. Nicht die Stärksten würden überleben, sondern diejenigen, die notwendige Veränderungen meistern und rechtzeitig und besser als die Konkurrenz die Umweltherausforderungen annehmen.

Bislang unerhörte Töne von Automanagern in Deutschland. Zetsche wörtlich: „Der Anfang vom Ende des Ölzeitalters ist da.“ In der Tat wird immer mehr Öl nachgefragt, aber es wird seit einigen Jahren schon immer weniger gefördert. Der Höhepunkt der Ölforderung ist unwiederbringlich überschritten. Deshalb geht die Internationale Energieagentur in Paris davon aus, dass sich in den nächsten vier Jahren der Ölpreis gegenüber heute verfünffachen wird. Das wären etwa vier Euro pro Liter Benzin. Bei der jetzt anstehenden Selektion unter den Autobauern, so Zetsche, werde es Gewinner und Verlierer geben. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben!

Der letzte Autosalon in Detroit 2008 wurde von Spöttern noch als „die Totenmesse für die Autoindustrie“ bezeichnet. Doch jetzt im Frühjahr in Genf sah es schon wieder ein wenig nach Auferstehung aus. Die absehbare Rohölknappheit und der Klimawandel lassen – nach 100 Jahren Verbrennungsmotor – alternative Antriebe als einzig möglichen Ausweg aus dem Fahren mit dem Feuer erscheinen.

Das Auto der Zukunft ist still, es brennt nicht, raucht nicht und stinkt nicht. Es will nur noch fahren. Wunderbar. Eine Lösung der Mobilitätskrise zeichnet sich ab. Doch sie wird ordentlich Geld kosten. In Werbespots verabschiedet sich General Motors vom Verbrennungsmotor bereits so: „Liebes Öl, wir hatten bisher jahrzehntelang eine tolle Beziehung. Aber jetzt glauben wir, dass es für uns besser wäre, wenn wir uns nicht mehr so oft sähen.“ Ciao Öl, tschüss Gas. Schwarzes Gold adieu! Lebe wohl! Die mobile Gesellschaft schickt sich an, den Pfad der ökologischen Tugend zu beschreiten.

Der Unternehmensberater Roland Berger hat ausgerechnet, dass schon 2020 jedes vierte neu zugelassene Auto in Europa mit Strom fahren wird. Eine der größten technischen Umwälzungen der 150jährigen Industriegeschichte steht uns bevor. Und diese ist überlebensnotwendig. Denn zurzeit fließen jedes Jahr zwei Milliarden Tonnen Rohöl, knapp die Hälfte des gesamten Weltverbrauchs, in den Straßenverkehr. Die Milliardenvölker Indien und China, aber auch große Teile Südamerikas und die ersten Länder in Afrika stehen jedoch erst am bescheidenen Beginn ihrer Auto-Motorisierung. Und warum sollten die Menschen in den Entwicklungsländern weniger Auto fahren dürfen als wir in den reichen Staaten?.

Die deutsche Bundeskanzlerin hat als erste Spitzenpolitikerin der Welt den Begriff der Klimagerechtigkeit in die politische Debatte eingeführt. Das heißt: Die Reichen müssen künftig und rasch ihre Treibhausgas-Emissionen reduzieren während die Dritte-Welt-Länder noch etwas mehr als zum Teil auch heute schon Treibhausgase emittieren dürfen. Ein deutscher Mensch verursacht im Schnitt heute 11 Tonnen Treibhausgase – wir werden uns jedoch künftig mit zwei Tonnen – das wird der Weltdurchschnitt sein – zufrieden geben müssen. Wohlstand wird in Zukunft nur möglich, wenn er ökologisch fundiert ist. „Ökologischer Wohlstand für alle“, so würde ein moderner Ludwig Erhard das politische Ziel für eine gute Zukunft formulieren. Und das heißt: Wir brauchen eine 100 %-ige solare Energiewende und eine ökologische Verkehrswende. Bei entsprechendem politischem Willen ist diese Wendepolitik in 20 bis 30 Jahren realisierbar. Mit Verzicht und Opfer hat diese Politik nichts zu tun, wohl aber mit ein klein wenig mehr Intelligenz und Verantwortung für unsere Kinder und Enkel.

 

Quelle: Sonnenseite.com

 

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Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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