Corporate Responsibility Review 2011

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oekomSkandale wie der Untergang der BP Ölplattform Deepwater Horizon oder die Selbstmorde zahlreicher Arbeitnehmer des taiwanesischen Elektronikzulieferers Foxconn haben 2010 die öffentliche Aufmerksamkeit verstärkt auf die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen weltweit gelenkt. Nur jedes sechste Unternehmen genügt aktuell den von oekom research festgelegten ökologischen und sozialen Anforderungen für den oekom Prime Status – so die Quintessenz des oekom Corporate Responsibility (CR) Review 2011.

Schwarze Schafe statt schwarzer Schwäne

oekom Corporate Responsibility Review 2011: Nur jedes sechste Unternehmen erreicht den oekom Prime Status

Die Geschehnisse im Golf von Mexiko oder in Taiwan, aber auch Diskussionen über Datenschutz im Zusammenhang mit durch Google Street View veröffentlichten Bildern zeigen nach Ansicht von Matthias Bönning, COO und Head of Research von oekom research, zweierlei: „Zum einen stehen die Unternehmen auf der ganzen Welt unter verstärkter Beobachtung der Zivilgesellschaft und der Investoren. Zum anderen kann kein Konzern mehr vorgeben, beispielsweise von menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Asien nichts gewusst zu haben.“ Denn solche Fakten seien keine ‚schwarzen Schwäne’ – also unvorhersehbare Ereignisse, so Bönning.

SAP, Henkel und BMW unter den DAX 30 Unternehmen führend. Dennoch waren auch 2010 zahlreiche Unternehmen aus den Industrienationen in Menschen- und Arbeitsrechtsverletzungen oder Umweltskandale involviert. Von den von oekom research weltweit analysierten rund 3.100 Unternehmen aus 45 Branchen erreicht nur jedes sechste den oekom Prime Status. Mehr als die Hälfte (56 Prozent) ist von einer nachhaltigen Wirtschaftsweise weit entfernt. Gut ein Viertel der Unternehmen (26 Prozent) hat zumindest die Basis für ein systematisches Nachhaltigkeitsmanagement gelegt. Unter den insgesamt etwa 550 Unternehmen (18 Prozent) mit oekom Prime Status sind rund 200 kleine und hoch spezialisierte Unternehmen aus Branchen mit sehr engem Bezug zum Thema Nachhaltigkeit wie beispielsweise erneuerbare Energien oder Wasseraufbereitung. Etwa 350 Unternehmen stammen aus konventionellen Branchen.

Verstöße gegen Sozial- und Wirtschaftsstandards weit verbreitet
Extensive Überstunden, schlechte Bezahlung, mangelhafte Arbeitssicherheit, massive Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit – um die Rechte der Arbeitnehmer ist es häufig schlecht bestellt. Gerade Unternehmen, die im Zuge der Globalisierung mit Zulieferern aus Schwellenländern zusammenarbeiten, sehen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, bei der Wahl ihrer Partner zu wenig auf international anerkannte Arbeitsstandards zu achten. So verstoßen rund 50 Prozent der Hersteller von Unterhaltungselektronik und Computern selbst oder in der Zulieferkette gegen derartige Rechte der Arbeitnehmer. Menschenrechtsverletzungen finden bei 40 Prozent der von oekom research bewerteten Unternehmen der Bergbaubranche statt. Kartellrechtsverstöße waren gleich 75 Prozent der Hersteller von Unterhaltungselektronik nachzuweisen. „Bei der Wahrnehmung der gesellschaftlichen Verantwortung haben wir es nicht mehr mit schwarzen Schwänen, dafür aber immer noch mit vielen schwarzen Schafen zu tun“, erklärt Bönning.

Druck durch nachhaltige Investoren wächst
Nicht nur bei der Globalisierung der Wertschöpfungsketten, auch bei der Kapitalanlage sind die Emerging Markets einer der wichtigsten Trends, für den sich auch nachhaltigkeitsorientierte Anleger interessieren. Der steigenden Nachfrage nach entsprechenden Titeln steht allerdings noch ein begrenztes Angebot geeigneter Emittenten gegenüber. oekom research geht davon aus, dass auch durch den Druck nachhaltiger Investoren die Unternehmen in Schwellenländern in den kommenden Jahren verbesserte Nachhaltigkeitsleistungen zeigen werden.

Der oekom Corporate Responsibility Review
Als Jahresbericht zur globalen Unternehmensverantwortung dokumentiert der oekom CR Review seit 2009 die zentralen Entwicklungen bei nachhaltigen Kapitalanlagen sowie Defizite und Fortschritte bei der Integration von Nachhaltigkeitskriterien in die Unternehmensführung. Wesentliche Themen sind Verstöße bei Korruption und Kartellrecht sowie Menschen- und Arbeitsrechte, Datenschutz und der Erhalt der Wälder.

Zusammenfassung der wichtigsten Ergebnisse

Entwicklung des nachhaltigen Investments – Zahlen und Fakten
•    Nachhaltige  Kapitalanlagen  konnten  Marktanteil  und  Volumen  in  der  Finanz-  und
Wirtschaftskrise  insgesamt weiter ausbauen. Weltweit werden  rund  acht Billionen  Euro
unter Berücksichtigung von sozialen, umwelt- und governancebezogenen Kriterien angelegt,
davon allein fünf Billionen Euro in Europa.

•    Im  deutschsprachigen Raum  waren  per  Ende  2010  354  Publikumsfonds  mit  einem
Gesamtvolumen von rund 34 Milliarden Euro zum Vertrieb zugelassen. Bei der Anzahl konnte
damit ein neuer Höchststand verzeichnet werden, das Volumen erreichte wieder das Vorkrisenniveau.

•      Bei  den  Publikumsfonds in Europa  konnten  sowohl  Anzahl  als  auch  Volumen  neue
Rekordmarken erzielen. 897 Fonds mit einem Volumen von 75,3 Milliarden Euro waren per
30.06.2010 zum Vertrieb zugelassen. Frankreich ist dabei der mit Abstand größte Markt.

•    Im Zuge der Rückführung der Aktienquoten bei vielen institutionellen Investoren als Folge der
Finanz- und Wirtschaftskrise und der Umschichtung in Richtung Geldmarkt und Renten ist das
Interesse an der Berücksichtigung von ESG-Kriterien bei festverzinslichen Kapitalanlagen
in den vergangenen zwei Jahren deutlich gestiegen. Immer mehr private und institutionelle
Anleger berücksichtigen auch beim Kauf einer Unternehmens- oder Staatsanleihe soziale
und umweltbezogene Kriterien.

•    Insgesamt  sind  die  nachhaltigen Kapitalanlagen in Europa  nach  Angaben  einer Studie
des europäischen Branchenverbandes Eurosif per Ende 2009 gegenüber Ende 2007 um 87
Prozent auf nunmehr rund 5 Billionen Euro gewachsen. Ihr Marktanteil beträgt damit nach
Berechnungen von Eurosif rund 47 Prozent. Der überwiegende Anteil dieses Kapitals wird
allerdings nach eher weichen Nachhaltigkeitskriterien verwaltet.

•    Hinter dem starken Wachstum des Marktes steht vor allem ein gestiegenes Engagement
institutioneller Investoren.  Indiz  für  das weiter wachsende  Interesse  von  institutionel-
len Anlegern  ist die steigende Zahl der Unterzeichner der UN Principles  for Responsible
Investment (UN PRI). Ihre Zahl hat zwischen Mitte 2009 und Mitte 2010 um 30 Prozent auf
über 850 zugelegt. Nach wie vor unterrepräsentiert sind Unterzeichner aus Deutschland.

•    Eine Analyse des Zentrums  für Europäische Wirtschaftsforschung  (ZEW)  für die Deutsche
Bundesstiftung Umwelt  (DBU) zeigt, dass nachhaltige Kapitalanlagen  in der Krise keine
Performancenachteile gegenüber konventionellen Anlagen zu verzeichnen hatten. Ein  in-
teressantes Detail: Die Performance der nachhaltigen Anlageprodukte war umso besser, je
strenger die definierten Nachhaltigkeitskriterien waren.

•    Nicht nur Rentenanlagen, sondern auch alternative Investments sind angesichts weltwei-
ter Krisen- und  Inflationsängste stärker  in den  Fokus nachhaltigkeitsorientierter Anleger
gerückt. Während dabei einige Bereiche, z. B. Mikrofinanz und  Forst, schon  länger auch
unter Nachhaltigkeitskriterien betrachtet werden, fängt die Diskussion um das ob und wie
nachhaltiger Anlagen bei anderen Anlagen, insbesondere bei Rohstoffen, gerade erst an.

•    Im  Fokus  der  zukünftigen  Entwicklung  des  nachhaltigen  Investments  muss  nach
Einschätzung von oekom research unter dem Motto Masse und Klasse neben dem weite-
ren Ausbau des Volumens und des Marktanteils die qualitative Vertiefung der verschiede-
nen SRI-Anlagestrategien  stehen.  Insbesondere die  so genannten  „weiten SRI-Ansätze“
wie Engagement und  Integration müssen systematisch weiterentwickelt werden, um das
Kernanliegen des nachhaltigen  Investments zu erreichen: die Umsteuerung der Unternehmen
in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaftsweise.

Corporate Responsibility – Stand und Trends
•    oekom research bewertet regelmäßig rund 3.100 Unternehmen aus mehr als 45 Branchen
und aus über 50 Staaten. Abgedeckt werden damit  internationale  Indizes wie der MSCI
World, der MSCI Emerging Markets, der Stoxx 600 sowie wichtige nationale Indizes wie der
österreichische ATX, der französische CAC40, die deutsche DAX-Familie und der Schweizer
SMI.

•    Insgesamt  550 der  3.100 Unternehmen,  also  rund  ein Sechstel,  erfüllen mit Stand  vom
31.12.2010 die Voraussetzungen für den oekom Prime Status. Ein weiteres Viertel aller bewer-
teten Unternehmen hat zumindest eine Basis für ein systematisches Nachhaltigkeitsmanage-
ment gelegt, deutlich mehr als die Hälfte der 3.100 Unternehmen zeigt eine unzureichende
Nachhaltigkeitsleistung. In den Emerging Markets gibt es eine Reihe von Unternehmen, die
in Sachen CSR den Vergleich mit den Unternehmen aus den Industrieländern nicht scheuen müssen.

•    Auf der von 0 (sehr schlechte Nachhaltigkeitsperformance) bis 100 (sehr gute Nachhaltigkeitsperformance)
reichenden  Skala  schneiden  die  Computerhersteller  mit  einer
Durchschnittsbewertung von 47,8 noch am besten ab. Auf den weiteren Plätzen folgen die
Produzenten von Haushaltsprodukten (45,6) und die Automobilhersteller (42,7).

•    Korruption und Bestechung auf Unternehmensebene sind in einigen Branchen nach wie vor
weit verbreitet. Wie im Vorjahr nehmen hier die Baubranche (15,3 Prozent der Unternehmen),
die Luftfahrt- und Rüstungsindustrie, die Hersteller von Unterhaltungselektronik und von
Kommunikationsgeräten sowie die Tourismus- und Freizeitindustrie  (jeweils 12,5 Prozent)
die unrühmlichen vorderen Plätze ein.

•    Noch  schlimmer  ist die  Lage bei Kartellrechtsverstößen. Hier  stellen die Hersteller  von
Unterhaltungselektronik einen  traurigen Rekord auf: Drei Viertel der Unternehmen dieser
Branche sind nachweislich in Wettbewerbsvergehen involviert. Auch unter den Herstellern
von  Haushalts-  und  Chemieprodukten  sowie  Baumaterial  ist  mehr  als  die  Hälfte  der
Unternehmen bei entsprechenden Beschränkungen des Wettbewerbs aktiv.

•    Immer mehr Unternehmen verändern ihre Anreizstrukturen in Richtung Langfristigkeit und
Nachhaltigkeit. Dazu zählen – als zeitliche Komponente – die Streckung der Auszahlung von
variablen Gehaltsbestandteilen über mehrere Jahre und – als inhaltliche Komponente – die
Verknüpfung der Boni mit der Erreichung von ESG-Zielen.

•    Verstöße gegen Arbeits- und Menschenrechte sind in einigen Branchen weiterhin weit verbreitet.
Jeder zweite Hersteller von Unterhaltungselektronik und von Computern verstößt
selbst oder in seiner Zulieferkette gegen anerkannte Arbeitsstandards. In der Textilbranche
ist noch immer mehr als jedes dritte Unternehmen betroffen. In Menschenrechtsverletzungen
sind  vor  allem  Unternehmen  der  Bergbaubranche  involviert.  Die  oekom Weltkarte der
Menschenrechtsverletzungen gibt einen Überblick über entsprechende Verstöße auch  in
weiteren Branchen.

•    Kunden und Bürger gehen  trotz zahlreicher Warnungen oft  sorglos mit  ihren Daten um.
Gleichzeitig  ist die  Inanspruchnahme von Dienstleistungen  für die Kunden häufig an die
Bedingung  geknüpft,  den  Unternehmen  umfangreiche  Daten  zur  Verfügung  zu  stellen.
Unternehmen sind daher besonders  in der Verantwortung, die Kundendaten sensibel zu
nutzen.  Im Handel und bei den  Internet- und Softwareunternehmen zeigen sich hier Licht
und Schatten.

•    Der nachhaltigen Waldwirtschaft und der Nutzung von Holz aus  legalen Quellen kommt
angesichts der  fortschreitenden Rodung der Wälder große Bedeutung zu. Sowohl  in der
Medien- als auch in der Baubranche gibt es erste Unternehmen, die mehrheitlich oder gar
ausschließlich FSC-zertifiziertes Holz verwenden. Auch hier stehen den positiven Beispielen
aber zahlreiche Unternehmen gegenüber, die kein oder kaum Engagement zum Schutz der
Wälder erkennen lassen.

Der vollständige Bericht steht hier zum Download zur Verfügung
 

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Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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