Start-ups mischen den Rüstungsmarkt auf – mit Drohnen, KI-Technologie und Überwachungssystemen. Wie verschieben sich dadurch die Gewichte in der Branche und wie beeinflussen die Start-ups Aufrüstung und Kriegsgeschehen? Netzpolitik hat mit Franz Enders über die Disruption auf dem Gefechtsfeld gesprochen. Disruption im Rüstungssektor, die Ideologie der Start-ups und deren enge Verzahnung mit dem politischen Betrieb. Enders ist Autor der Studie „Neue Waffen, neues Geld? – ‚Defence-Startups‘ in der BRD“, die Mitte Juli bei der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V. erschienen ist. Rüstungskonzerne sind Krisen- und Kriegsgewinnler. Einer der größten Profiteure ist derzeit die Rheinmetall AG. Aus dem 2022 angekündigten „Sondervermögen Bundeswehr“ hat sie rund 42 Milliarden Euro erhalten – und damit fast die Hälfte des insgesamt 100 Milliarden schweren Gesamttopfes. Der Aktienkurs des Konzerns lag vor den Diskussionen um das Budget bei rund 100 Euro, heute liegt er bei etwa 1.700 Euro. Doch die Dominanz der „alten“ Rüstungskonzerne gerät ins Wanken. Start-ups mischen den Markt auf – mit Drohnen, KI-Technologie, Überwachungssystemen und unbemannten Fahrzeugen. Das größte deutsche Start-up ist Helsing, zumindest, wenn es nach der Marktbewertung geht. Helsing stellt militärische KI-Software her, mit der das Unternehmen Drohnen ausstattet. Aber auch die Eurofighter-Kampfjets wurden mit deren Produkten nachgerüstet. Diesen Auftrag erhielt Helsing gerade einmal rund zwei Jahre nach Unternehmensgründung, was ziemlich bemerkenswert ist. Helsing AI ist sehr stark bemüht sich sympatisch, klug und seriös zu zeigen: Spagat der Werte zwischen töten und verteidigen. Thema #Ethik und #Werte. “Regelmäßige Ethik-Workshops helfen uns dabei, unsere Werte zu stärken…”. Franz Enders: Die Start-ups haben mit anderen Tech-Unternehmen etwa aus dem Silicon Valley gemein, dass sie der Ideologe des Solutionismus anhängen. Demnach lassen sich quasi alle Probleme der Menschheit mit technologischen Mitteln lösen. Hier geht also nicht um gesellschaftliche oder politische Aushandlungsprozesse. Es geht darum, mit dem richtigen technologischen Hammer auf einen gesellschaftlichen Nagel zu schlagen. Auf europäischer Seite gibt es ein paar Geldgeber wie etwa Daniel Ek, der Spotify gegründet hat und massiv in Helsing investiert. Daniel Ek ist bereits 2021 – und damit lange vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine – mit seiner Investmentgesellschaft Prima Materia bei Helsing eingestiegen. Zuletzt hat er sein finanzielles Engagement noch einmal deutlich ausgebaut. Deshalb gibt es derzeit auch eine Kampagne, die zum Boykott von Spotify aufruft. Netzpolitik
Neuer militärisch-industrieller Komplex
Start-ups mit Drohnen, KI-Technologie, Überwachungssystemen und unbemannten Fahrzeugen