Gereizt, genervt, unzufrieden: Ständig optimieren wir uns selbst und merken nicht, wie fremd wir uns dabei werden. Der Philosoph Florian Goldberg warnt vor “geistigem Analphabetismus”, der zur inneren Verwahrlosung ganzer Gesellschaften führen könne. Analphabetismus definiert das Lexikon als kulturell, bildungs- oder psychisch bedingte individuelle Defizite im Lesen oder Schreiben bis hin zum völligen Unvermögen in diesen Disziplinen. Entsprechend könnte man als geistigen Analphabetismus ebensolche Defizite im Entziffern oder Entwerfen des eigenen Inneren bis hin zur völligen Unfähigkeit zur Selbstwahrnehmung bezeichnen. Die Folge sind erhebliche Schwierigkeiten in der Kommunikation, die weitere Frustrationen und Konflikte nach sich ziehen. Alphabetismus kostet Zeit, Mühe und Geld: dieser entwickelt sich in dem Maße, in dem er von möglichst früh auf gefördert wird. Er braucht Zeit, Muße und zweckfreie, spielerische Zugänge zum Leben. Hatten frühere Bildungs- und damit Gesellschaftsideale noch den homo humanus, also den wahrhaft menschlichen Menschen im Sinn, unterwerfen wir unser Dasein zunehmend der wirtschaftlichen Verwertbarkeit. Es beginnt in Schulen und Universitäten und setzt sich im Berufsleben fort. Mehr…