red and green lighted candles
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Ethify Your Life

5. Mobilität

Unsere guten Vorsätze, klimabewusst einzukaufen, machen wir gleich wieder zunichte, wenn wir auf’s falsche Pferd setzen, um die Lebensmittel nach Hause zu transportieren. Fahren wir ausschließlich mit dem Auto zum Handel, spielt der eigentliche Produktionsweg des Lebensmittels nur noch eine untergeordnete Rolle. Deutlich vorteilhafter sind Großeinkäufe mit reduzierten Wegen etwa bei sowieso geplanten Fahrten. Die täglichen Einkäufe müssen wir zu Fuß oder mit dem Fahrrad erledigen, um die Klimavorteile heimischer Produktauswahl nicht zu untergraben. Wer mit dem Auto zum Einkaufen fährt, kann auch gleich die Tomaten aus Spanien und die Fisolen aus China in den Einkaufskorb geben, denn deren Anteil am CO2 – Ausstoss ist im Vergleich zur Energie, die benötigt wird, um eine Tonne Blech und Plastik zu bewegen, gering.

Eigentlich sollte es um eine geänderte Verkehrskultur gehen: Mobilität als Fitnessgerät verstehen, nicht als Transport ins Fitnesscenter; die Bahn als fahrendes Kaffeehaus, wo ich arbeiten oder abschalten und meine Individualität entfalten kann, ohne dafür eine ganze Individualkiste zu brauchen; Taktverkehre und ergänzende Rufbusse auch auf dem Land, durch welche ich auch ohne Auto nicht zum Aussätzigen werde.

Die Umrüstung aller Autos auf Elektroantrieb ist derzeit keine Lösung, weil Strom ja in vielen Ländern nach wie vor mit Erdgas oder Kohlekraftwerken produziert wird. In Deutschland liegt der Anteil der fossilen Energieträger bei der Stromerzeugung noch bei 56,6% und weitere 23,3% kommen aus der Kernenergie. Mit den zusätzlichen Leitungs- und Batterieverlusten ist die Energieausbeute wesentlich schlechter, als wenn Diesel oder Gas im Autotank direkt mitgeführt wird. Lediglich bei der Auto- und Atomlobby leuchten die Augen beim Hybrid- oder Elektroauto, und viele Leute fallen auf das Versprechen, beim Autokauf etwas gutes für die Umwelt tun zu können, auch hinein. Der ökologische Rucksack an Rohstoffen und Energie für die Produktion eines PKWs beträgt schon rund 70 Tonnen und der Treibhauseffekt wird beim Tanken an der Steckdose kaum eingedämmt. Die Ökobilanz eines Hummer SUV Fahrzeuges ist zudem noch besser als die des vielgelobten Toyota Prius Hybridautos. Leichtmetalle und grosse Batterien sind in der Beschaffung der Rohmaterialien und in der Produktion weder sozial- noch umweltfreundlich, zudem liegt die Laufleistung eines Hybridautos bei nur etwa 160.000 km, wohingegen ein guter alter Stinker bis zu 400.000 km fährt. Elektroautos sind also auch nicht die Verheissung.

Schon realistischer sind jene Annahmen, die von einem geänderten Mobilitätsverhalten in der Zukunft ausgehen. Im Jahr 2007 wurden in Österreich 58,5 Prozent der Alltagswege mit dem Auto zurückgelegt. Diese werden laut der VCÖ-Studie „Verkehr 2020“ bis zum Jahr 2020 auf 48 Prozent fallen. Diese Entwicklung hat auch damit zu tun, dass wieder mehr Menschen in die Städte ziehen. So ist die Bevölkerung in den Städten Österreichs seit dem Jahr 2001 mit sieben Prozent doppelt so stark gewachsen wie im Landesdurchschnitt. In der Stadt sind die Verkehrsausgaben für Haushalte deutlich niedriger als in ländlichen Regionen. Ein Wiener Haushalt zahlt im Schnitt rund 330 Euro pro Monat, um mobil sein zu können. Im Burgenland betragen die Verkehrsausgaben hingegen monatlich rund 540 Euro.

Eines ist jedenfalls sicher: Die Menschen werden in Zukunft stärker darauf achten, welches Verkehrsmittel für ihren jeweiligen Zweck das Vernünftigste ist. So genannte intermodale Mobilität wird an Bedeutung gewinnen. Kurze Strecken werden häufiger mit dem Rad oder zu Fuß zurückgelegt, und wer ein Auto braucht, wird es nicht automatisch besitzen. Es wird deutlich mehr Menschen geben, die Carsharing praktizieren und den Vorteil nutzen werden, dass sie für Fahrten zu zweit ein kleines, für Ausflüge zu mehrt ein größeres Auto und für den Transport von Möbel einen Kleinlastwagen verwenden können.

31 Lieblingsausreden für jeden Tag, das Fahrrad nicht zu benützen:

„es ist zu heiß, ich will nicht verschwitzt in die Arbeit kommen“
„die Reifen sind nicht aufgepumpt“
“wo gebe ich meinen Laptop hin”
“es könnte regnen”
“mit den Schuhen kann ich unmöglich radfahren”
“es ist zu weit”
“ich fahre eh mit der Straßenbahn”
“ich habe eine Monatskarte gekauft, die will ich ausnützen”
“ich bin noch so müde”
“im Auto kann ich telefonieren”
“ich muss noch zu einem Termin, da brauche ich mein Auto”
“in der U-Bahn kann ich lesen”
“in der Arbeit habe ich einen gratis Firmenparkplatz, den will ich nutzen”
“ich will mich nicht anstrengen, mein Tag ist hart genug”
“es geht so viel bergauf, das schaffe ich nicht”
“bei der Luftverschmutzung ist es wahrscheinlich gesünder, ich fahre mit dem Auto und schalte die Klimaanlage ein”
“ich kenne den Weg nicht genau”
“ich möchte gerne im Auto meine Lieblings-CD hören”
“ich könnte einen Unfall haben”
“wozu habe ich denn mein Auto?”
“ich gehe heute eh noch ins Fitness-Center”
“vielleicht morgen, heute freut es mich nicht”
“es ist so kalt, ich könnte mich verkühlen”
“ich habe so viel gefrühstückt, da soll man nachher keinen Sport machen”
“ich muss noch meine Kinder abliefern, das geht sich alles nicht aus”
“mein Rad könnte gestohlen werden”
“mein Sattel ist so unbequem”
“wenn ich nachher noch einkaufen gehe, wo gebe ich das alles hin?”
“meine Mama hat gesagt, Fahrradfahren ist gefährlich”
“ich bin zu dick, vorher muss ich noch abnehmen”
“heute ist der 31., ich fange morgen im neuen Monat an”

Abbildung 2: 31 Ausreden, nicht mit dem Fahrrad zu fahren
(Quelle: GLOBAL 2000 auf www.fahrradpass.at)

Ein geeigneter Fahrradanhänger erhöht die Flexibilität beim Einkaufen im Alltag. Kombimodelle sind gleichzeitig Einkaufswagen im Supermarkt (es entfällt das Hantieren mit einer Münze), Fahrradanhänger und eine Kiste, die ich direkt in die Küche bringen kann. Mittlerweile gibt es leistbare Fahrräder mit Elektromotor, sogenannte Pedelecs, sodass auch Steigungen mühelos überwunden werden können. Und auch das Wetter ist nur selten eine gültige Ausrede, denn moderne Textilien oder eine Überhose halten Nässe gut ab. Allenfalls empfiehlt es sich, im Büro ein zweites Paar Socken und Schuhe bereitzuhalten, falls bei der Hinfahrt die Pfützen allzu tief waren. Wer sich auf dem Fahrrad unsicher fühlt, sollte mal die Rahmengrösse oder die Lenkerposition überprüfen lassen oder kann einen Fahrkurs absolvieren. Mit einem Mountainbike im Gelände lässt sich das Halten des Gleichgewichts bei niedriger Geschwindigkeit oder die Reaktion beim abrupten Bremsen gut üben.

Leistung
kW / Person
Geschwindigkeit
km/h Durchschnitt
Effizienz
km/kWh
zu Fuss 0,04 4 100
Rollschuhe 0,08 8 100
Fahrrad 0,08 18 225
Pedelec 0,25 25 100
Elektroroller 3 60 20
Zug 8 100 12,5
Bus 15 80 5,3
Kleinwagen 40 120 3
Elektroauto 30 90 3
Limousine 150 150 1
Flugzeug 200 700 3,5
Schiff 5 25 5

Abbildung 3: Leistung und Effizienz verschiedener Mobilitätsformen pro beförderter Person (Mittelwerte)

Welches Verkehrsmittel ist das effizienteste? Ein Mensch bringt etwa 80 Watt in die Pedale und fährt damit in einer Stunde 18 Kilometer. Mit 225 Metern pro Wattstunde weist das Fahrrad den besten Wirkungsgrad auf. Ein Fahrrad mit Elektromotor (PEdal ELEctric Cycle) unterstützt bei Steigungen und erhöht die Durchschnittsgeschwindigkeit. In einem kleinen Auto kommt eine Person mit demselben Energieeinsatz gerade mal drei Meter weit, daran ändert auch ein Elektromotor im Auto nicht viel.

Ein radikaler Schritt aus Sicht des Klimaschutzes wäre daher, auf das Auto komplett zu verzichten. Alexander von Schönburg beschreibt, wie er die Vorteile erlebt. „Ich habe nie ein Auto besessen, und bisher hat das mein Leben sehr erleichtert. Ich bin kein Autohasser. (…) Aber bei meinen fahrenden Freunden habe ich meist nur miterleben können, was für ein Klotz am Bein ein Auto ist. Das Geld, das sie für Benzin, Versicherung, Reparaturen, Parkplatzmiete, Falschparken und vieles mehr ausgeben, übersteigt bei weitem das, was ich für Bahntickets und gelegentliche Taxifahrten zahle. Die Zeit, die Autofahrer schimpfend und nach Parkplätzen suchend verbringen, spare ich mir ohnehin.“ Klar, wer im Aussendienst tätig ist, Pakete zustellt oder beruflich Werkzeug mit sich führen muss, benötigt ein entsprechendes Gefährt. In vielen Regionen und Städten ist der öffentliche Verkehr gut ausgebaut, sodass das Auto weder bequemer noch schneller ist. Im Zug oder Bus kümmert sich ein Chaffeur um die Wirren des Verkehrs und ich kann in Ruhe ein Buch lesen oder bei längeren Fahrten mit dem Laptop arbeiten. Das Warten an der Haltestelle kann auch eine meditative Übung sein oder eine Gelegenheit, mit anderen über’s Wetter zu reden. Wer kein Auto hat und die Fahrpläne der öffentlichen Verkehrsmittel kennt, vermisst es auch nicht. Und falls mal wirklich etwas zu transportieren ist, kann ich einen Wagen ausleihen, von einem Nachbarn oder bei einem Carsharing Anbieter.

Genau so machen wir es in unserer Familie. Kein Auto, dafür neun Fahrräder und zwei Anhänger in der Garage. Damit transportieren wir alles: Kinder, Möbel, Flohmarktware, Gemüse vom Markt oder die Bierkiste. Und wenn Tochter Verena ein Konzert spielt, schnallen wir die Harfe auf den Anhänger. Bei Regen können wir unkompliziert bei unseren Nachbarn um den Autoschlüssel anfragen, dafür betanken wir es einmal im Jahr (und wundern uns, wieviel Geld man an der Zapfsäule loswerden kann). Dank Netzkarte für die Eisenbahn liegt unsere Kilometerleistung dennoch jenseits der 50.000, die sich vor allem auf der Strecke Vorarlberg – Wien ansammeln, die meine Frau und ich beruflich oft im Liegewagen zurücklegen (leider meist getrennt ;-).

Wir gehen auch viel zu Fuss und haben gelernt, Distanzen richtig einzuschätzen. Verschiedene Untersuchungen zeigen nämlich, dass wir glauben, dass wir für einen doppelt so langen Weg viermal solange benötigen, obwohl es keine zusätzlichen Hindernisse gibt. Die irreführende Exponentialfunktion scheint in unseren Genen zu stecken, denn Bienen schätzen Distanzen ähnlich. Die Frequenz der Schwänzeltänze vor anderen Bienen nimmt mit zunehmender Entfernung zur Futterstelle ebenfalls exponentiell ab. Daher meiden Menschen spontane Wege zu Fuss im Alltag, die länger als 5 Minuten dauern, weil uns eine viertel Stunde auf den Beinen zu sein schon wie eine halbe Ewigkeit vorkommt.

Kein Auto zu haben hat auch positive Effekte für’s Gemüt, denn „die liebsten und ausgeglichensten Menschen werden hinter dem Lenkrad zu fluchenden Rohrspatzen.“ Im Zug kann ich mit den Kindern Karten spielen oder den Speisewagen besuchen, im Auto ist der Unmut bei Mitfahrern auf dem Rücksitz vorprogrammiert, die sich – eingeklemmt in Sicherheitsgurten – stundenlang selber beschäftigen müssen.

Doch das Automobil ist nach wie vor Staatsideologie. Seit den 50er Jahren werden Standorte für die Autobauer und die Zulieferindustrie mit Steuermitteln gefördert. 1977 wurde in einem Investitionsprogramm bis zum Jahre 1985 das Ziel in Deutschland deklariert, dass jeder Bundesbürger es nicht weiter als 25 Kilometer zur nächsten Autobahnauffahrt haben sollte. Im Jahr 1995 gab es weltweit etwa 500 Millionen Personenkraftwagen, 2002 waren es bereits 590 Millionen und für 2010 wird ein Bestand von 1 Milliarde Autos prognostiziert. 82 Millionen Deutsche hatten am 1. Januar 2009 41,321 Millionen Pkw. 2009 sollte in der Wirtschaftskrise die Abwrackprämie den Autokonsum wieder ankurbeln und die deutsche Regierung wird von General Motors geradezu erpresst, mit Staatsmitteln den Erhalt von Opel sicherzustellen. Mit Konjunkturprogrammen für die Bauwirtschaft werden Strassenbaupläne aus den 70er Jahren aus den Schubladen geholt, obwohl Straßen und Parkplätze in Österreich bereits eine Fläche von annähernd 2.000 Quadratkilometer benötigen, was der Fläche von Vorarlberg entspricht. Immerhin ist es uns in Vorarlberg (wo es noch immer sehr viel schöne Natur gibt) 2009 gelungen, einen zweiten (!) Autobahnvollanschluss bei einem Einkaufszentrum zu verhindern. Die staatseigene Finanzierungsgesellschaft für Strassen (ASFINAG) hatte bereits die Grundstücksablöse eingeleitet, obwohl sie selbst einen Rückgang des LKW Verkehrs auf der Korridorstrecke über den Arlberg um 15,1% gemessen hat.

Die Autolobby ist weiterhin erfolgreich, wenn es um die Subvention von Motorenwerken oder Wracks geht, und das seit 1924. Gero von Randow beschreibt in einem Artikel in „Die Zeit“ die Macht des Automobils als eine Innovation, die irreversibel ist. Damals hatten die Fußgänger die herumirrenden Autos „joyrider“ geschumpfen und Schritttempo gefordert. Die Autoverbände versorgten die Lokalpresse mit Karikaturen und Glossen, die den „joywalker“ verspotteten, also Leute, die die Fahrbahn nicht freigaben. Das Wort bezeichnete ursprünglich einen Menschen vom Land, der sich in der Stadt nicht auskannte und dort herumirrte. Pfadfinder übernahmen bald die Aufgabe, Fußgänger zu ermahnen, die neuen Strassenregeln zu befolgen und Polizisten trillerten alsbald für den Vorrang der Autos mit einer schrillen Pfeife. Ein grosser Teil des öffentlichen Raums wurde im Nu zur exklusiven Fahrbahn umdefiniert und die Verkehrserziehung eingeführt. Das Auto hatte endlich freie Fahrt. Nach den Vorstellungen der Autoindustrie soll dies auch so bleiben und verspricht mit sparsamen Motoren oder Elektroantrieb ein gutes Gewissen. Doch der Energie- und Ressourcenverbrauch bleibt dadurch in etwa derselbe, ja die Elektroautos sind besonders hungrig nach giftigen Schwermetallen und der Weg der Energie vom Kraftwerk bis auf die Strasse ist mit erheblichen Verlusten gekennzeichnet.

Selbst in den hoch entwickelten deutschsprachigen Ländern besitzt noch immer weniger als die Hälfte der Bevölkerung ein Auto, doch diese Mehrheit hat kein Sprachrohr. Fussgänger und Radfahrer erkämpfen sich seit den 80er Jahren sehr mühsam wieder Raum zurück, um sich wieder freier bewegen zu können. Nur zughaft entstehen etwa in Städten Kreuzungen, wo alle Fussgängerampeln gleichzeitig auf grün stehen, die ein rasches Überqueren auch diagonal gestatten. Meist sind die Ampeln jedoch so geschalten, dass auch bei konkreter Anforderung eines Fussgängers auf ein Grünsignal noch Minuten vergehen, bis es tatsächlich kommt, selbst wenn der Autoverkehr nur schütter ist. Dabei ist die Wartezeit im Auto gefühlt wesentlich kürzer, weil man die scheinbar verlorene Zeit rasch wieder aufholen kann; eine Fussgängerin hingegen fühlt sich gestresst, wenn der Gehfluß längere Zeit unterbrochen wird. Die zunehmende Regelung der Verkehrswege für Fussgänger ist mit ein Grund, dass sich die Gehgeschwindigkeit in Städten zwischen 1994 und 2005 durchschnittlich um 10% beschleunigt hat.

Die „Critical Mass“ ist eine Protestform, die mittlerweile in vielen Städten regelmässig Anwendung findet. Unmotorisierte Verkehrsteilnehmer finden sich scheinbar zufällig und unorganisiert zusammen, um mit ihrer schieren Menge und ihrem konzentrierten Auftreten die durch den Kfz-Verkehr überlasteten Innenstädte für sich zu reklamieren. Doch lösen diese Aktionen keine konkreten Probleme. Die Wiener Ringstrasse ist zum Beispiel immer noch ausschliesslich den Autos gewidmet, und zwar als dreispurige Einbahn. Tausende Radfahrer müssen sich die Allee mit den Fussgängern teilen. Die Radwege – Markierungen mit den häufigen Spurwechseln werden von den Touristen (und dem Schnee) nicht respektiert. Konflikte und Zusammenstöße sind an der Tagesordnung, das wird sich auch mit den geplanten, zaghaften Erweiterungen des Ring-Radweges nicht ändern.

 

Alexander von Schönburg empfiehlt, ein Auto als exquisite Genussmittel zu betrachten. Besser selten mal eine gut geplante Tour mit einem Sportwagen oder Motorrad über die Alpen, als täglich die Strassen zu verstopfen. „Ein Auto kann also nur ein völlig unnützes, rein zum Vergnügen bestimmtes Luxusobjekt sein, das man gerade sinnlich liebt, oder ein reines Gebrauchsobjekt, mit dem man ohne Sentimentalitäten umgeht. Alles dazwischen ist fürchterlich spiessig, riecht nach Wunderbaum und nassem Lammfellbezug.“ Und dennoch ist das Auto für die meisten ein scheinbar unverzichtbares Vehikel: Österreicher geben im Jahr für das Auto durchschnittlich 5000 Euro aus und verbringen 70 Minuten täglich im Strassenverkehr (und 45 Minuten mit Kinderbetreuung).

Der Verkehrsplaner Hermann Knoflacher bezeichnet das Auto gar als Virus. Das Kennzeichen von Viren ist ja, dass sie den Wirt verändern und schwere Krankheiten oder gar den Tod bringen. Das Drängeln und die Lichthupenkonzerte auf den Autobahnen sind nur eine der Ausformungen eines Verhaltens, das nur bei Autofahrern zu beobachten ist. Das Auto bringt einen nicht nur rasch von A nach B, sondern ist auch ein Vehikel, um asoziales Verhalten zu üben: Kurven schneiden, drängeln, fluchen, Fussgänger und Radfahrer hassen. Sobald ein Mensch ins Auto steigt, verändert sich sein Wesen, ja wird sogar eine andere Spezies, die nicht mehr Rücksicht nimmt auf Menschen, sondern den Asphalt verteidigt und sich selbst als Automobil versteht. Wie sonst erhalten wir auf die Frage: „Wo stehst du?“ die Antwort: „Zwei Gassen weiter im Halteverbot“. Da spricht nicht der Mensch, sondern das Virus Auto selbst. Wenn weltweit jährlich 1,2 Millionen Menschen und in Österreich zwei pro Tag durch Verkehrsunfälle sterben, wird die Hysterie rund um den Schweinegrippenvirus schwer nachvollziehbar. Bei der Bekämpfung des Grippevirus macht die Pharmaindustrie mit Impfstoffen fette Gewinne und die Autoindustrie mit einem Volksvirus, den sie jedoch tunlichst nicht bekämpfen wird. Immerhin wurde die Anzahl der Toten auf den Strassen durch Sicherheitstechnologien wie dem Airbag seit den siebziger Jahren halbiert, andererseits sterben indirekt durch Abgase und Lärm, die durch den Verkehr verursacht werden, heute mehr Leute, als durch Unfälle auf der Strasse.

Kaum eine Familie, die nicht durch einen Verkehrsunfall paralysiert ist oder gar jemanden verloren hat. Die Gefahren der Strasse sind Teil unseres Lebens und unserer Kultur geworden. Unfälle sind der Stoff, aus dem deutsche Krimis und amerikanische Serien gemacht sind. Desperate Housewive Susan Delfino musste in der letzten Folge der fünften Staffel die Inszenierung eines Verkehrsunfalles mit ansehen: Jener Mann, der Frau und Tochter eines früheren Unfalls verlor, versuchte die Verursacherin zu rächen und dessen Sohn mit einem inszenierten Unfall gleich mit ins Unglück zu stürzen.

In unserer Familie waren’s im November 2009 gleich zwei Verkehrsunglücke. Juliane wurde mit ihrem Fahrrad von einem LKW an der Kreuzung angeschoben, noch bevor die Ampel auf gelb sprang. Sie konnte durch heftiges Treten gerade noch nach rechts vorne ausweichen. Und Tochter Verena hat’s am Zebrastreifen vor dem Schulweg erwischt: ein LKW Fahrer hat sie zwar gesehen, aber zu spät gebremst: das Kinderrad ist noch immer in der Werkstatt, der abgeschlagene Vorderzahn mittlerweile wieder geflickt und die grünen Flecken an den Knien verfärben sich jetzt gelb. Doch nicht immer ist der Schutzengel dabei.

Autos sind einfach nicht fair. Sie haben einen schlechten Wirkungsgrad, verleiten zur gegenseitigen Aufrüstung als SUV und über die PS-Zahl und verbrauchen stehend und fahrend ein Vielfaches an Platz als eine Fussgängerin oder ein Radfahrer. Autos benötigen sehr viel Ressourcen bei der Produktion, wobei Elektroautos für ihre Batterien besonders gierig nach Edel- und Schwermetallen sind, die meist unter unmenschlichen Bedingungen gewonnen werden. Fazit: Autos sollen nur dann zum Einsatz kommen, wenn es tatsächlich keine andere Alternative gibt. Und dass es auch ohne geht, machen immer mehr Leute vor, die der Autokultur den Rücken kehren. Personen, die freiwillig ohne eigenes Auto leben, bezeichnen sich als autofrei – im Gegensatz zu unfreiwillig autolosen, die gerne eines hätten, aber es sich etwa aus finanziellen Gründen nicht leisten können.

Wie kann der Umstieg von Autofahrern auf Bus und Bahn schmackhaft gemacht werden? Bequemlichkeit, Pünktlichkeit und die Preisgestaltung sind die Stellschrauben. Jeder PKW-Kilometer wird in Österreich mit 41 Cent von der Allgemeinheit subventioniert, der Öffentliche Verkehr hingegen für dieselbe Fahrleistung nur mit 24 Cent. Regelmässig fordern Verkehrsexperten, den öffentlichen Verkehr vollständig gemeinwirtschaftlich zu finanzieren. Die ÖBB mit dem Postbus nahmen im Jahr 2008 659 Millionen Euro durch Fahrkartenverkauf ein, etwa denselben Betrag nahmen die Verkehrsverbünde für den Regionalverkehr ein. Die Regulierungsbehörde e-control kommt in dem von Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebenen „Grünbuch Energieeffizienz“ zur Schlussfolgerung, dass der öffentliche Verkehr für jeden kostenlos sein soll. „Damit soll eine Verhaltensänderung ausgelöst werden, die aufgrund der bisher gesetzten Verkehrsmaßnahmen nicht schnell genug erreicht wird.“ Werden die Kosten für Fahrkartenautomaten, Verkaufspersonal und die Administration von Schülerfreikarten abgezogen, müssten für diese Massnahme in Österreich etwas mehr als 1 Milliarde Euro im Jahr aufgebracht werden. Mit einem Beitrag von etwa 20 Euro im Monat, die automatisch vom Lohn, der Pension oder dem Stipendium abgezogen werden, wäre dies finanzierbar. Mehr als 370.000 Schweizer leisten sich ein Generalabonnement für alle öffentlichen Verkehrsmittel für rund 2000 Euro pro Jahr (mit diversen Ermässigungen für Partner und Jugendliche).  In der belgischen Stadt Hasselt wurde 1996 der Nulltarif für öffentliche Verkehrsmittel eingeführt, seither hat sich die Zahl der Fahrgäste verdreizehnfacht.

Beim Flugverkehr vermindern Lärm, Zubringerverkehr und Luftverunreinigungen rund um Flughäfen die Lebensqualität der Anrainer, und global sind die Wirkungen auf das Klima unumstritten. Die geringe Nutzlastkapazität und der hohe Kerosinverbrauch macht das Flugzeug zu einem ineffizienten Transportmittel vor allem auf Kurzstrecken. Die 420 Tonnen Startgewicht einer Boeing 747 umfassen 180 Tonnen Kerosinzuladung. Allein während der Start- und Aufstiegsphase verbrennt dieser Flugzeugtyp in wenigen Minuten rund 5 Tonnen Kerosin. Im konstanten Reiseflug beträgt der Verbrauch rund 16 Tonnen pro Stunde, das heißt es werden 50 Tonnen CO2 pro Flugstunde emittiert. Flugzeuge verbrauchen somit etwa weltweit 5 bis 6 % der jährlichen Welterdölproduktion was etwa 200 Mega-Tonnen Kerosin im Jahr entspricht. Das Kerosin ist in den meisten Ländern steuerfrei, somit tragen die Fluggesellschaften zu den externen Kosten, die alle zu tragen haben, kaum etwas bei. Die Triebwerks-Emissionen durch Kohlenstoffdioxid-Ausstoß und Erzeugung von Wasserdampf sind deshalb besonders schädlich, weil sie in empfindlichen Luftschichten, wie der Stratosphäre, stattfinden.

Urlaube lassen sich auf unterschiedlichste Weisen planen und durchführen. Ich kann mehrmals im Jahr eine Städtereise machen oder die nähere Umgebung besser kennen lernen. Oft gibt es auch in der Nachbarschaft Familien türkischer oder serbischer Herkunft, deren Besuch sicher so spannend ist, wie ein Ausflug in eine Moschee oder ein Bazar am Bosporus. Das Resultat sind dann nicht irgendwelche Kleidungsstücke, die wir eingekauft haben (und zu Hause doch nicht so gern anziehen), sondern ein neuer Kontakt, vielleicht ein Kochrezept oder eine spannende Lebensgeschichte.

Klar, junge Menschen wollen mal raus und die Welt sehen, neue Länder bereisen oder ein Austauschsemester an einer anderen Universität verbringen. Aber das ganze Leben lang auf der Flucht sein? Oder wie ein Jäger Eindrücke von Landschaften, Kulturen oder Geschäftsabschlüsse aus fernen Ländern wie Trophäen von jedem Trip nach Hause bringen? Einige Zeit in einer wirklich grossen Metropole mit ihren Gegensätzen leben oder in einem einfachen Dorf zu Gast sein dürfen bringt gewiss tolle Lebenserfahrungen, aber dies muss ja nicht jährlich wiederholt werden, vor allem wenn die Ziele nur aufwändig erreichbar sind.

Zugegeben, wer wie ich in den Alpen wohnt hat in jeder Jahreszeit Abwechslung und kann in die Berge dem Alltag entfliehen. Das ist natürlich besonders fein, wenn im Tal der Nebel liegt und oben die Sonne scheint. Die Alpen sind tatsächlich mit dem Zug aus ganz Europa gut erreichbar und mit öffentlichem Verkehr dicht erschlossen. Die Reisejournalisten Mark Hodson und Daniel Elkan bieten mit der Webseite „snowcarbon“ eine umweltfreundliche Alternative zum Fliegen auch für Leute von der Britischen Insel, die gerne nach Frankreich oder in die Schweiz zum Schifahren kommen. In der Wintersaison fahren Sonderzüge aus Städten wie London, Hamburg oder Brüssel in die Alpen und im Sommer lässt sich auch ein Zwischenstopp in einem pitoresken Städtchen einplanen. Problematisch sind Expeditionen in den Himalaya oder in die Anden nicht nur aufgrund des Ausstosses an Treibhausgasen mit den Flugzeugen, die Scharen von Abenteurern dorthin befördern. Besteigungen im Hochgebirge mit Scherpas zählen weder ökologisch noch ethisch zu den empfohlenen Mutproben, bei denen viele auch schon ihr Leben lassen mussten.

Im Geschäftsleben gelten die Anzahl der Vielfliegerkarten im Portmonnaie noch immer als Statussymbol, auch wenn streng genommen die Bonusmeilen nicht mehr privat konsumiert werden dürfen, weil dies einer Steuerhinterziehung gleich kommt. Doch darum geht’s gar nicht: möglichst oft weg von zu Hause ist nach wie vor ein häufiger Beweggrund, sich ins Flugzeug zu setzen und den Duft von Kerosin am Flughafen, Kaffee an Bord und jenem einer fremden Stadt sich um die Nase wehen zu lassen, auch wenn eine Telefon- oder Videokonferenz für das Geschäftstreffen ausreichen würden. Wissenschafter treiben dies mit Forschungsprojekten, die von der EU-Kommission mit 7 Milliarden Euro pro Jahr gefördert werden, auf die Spitze und lieben es, sich mehrmals im Jahr zu Konsortialtreffen oder für Konferenzbesuche zu verreisen. Auch ich war Ende der 90er Jahre bis zu zwei mal pro Woche im Flieger – trotz kleiner Kinder zu Hause – und bin froh, den Reisezirkus nicht mehr mitspielen zu müssen. In der Scientifc Community geniessen aber weiterhin jene Kollegen Anerkennung, die es schaffen, auf möglichst allen Kontinenten einmal geforscht oder gelehrt zu haben. Hier muss die Wissenschaft wohl nach ihrer eigenen Ethik und ihren Beitrag zum Umweltschutz selbst mal nachforschen.

Wer bis zur Pension keine Vorstellung von der Welt hat, wird diese mit Kreuzfahrten auch nicht mehr bereichern. Und dennoch gelten Kreuzfahrten als Wachstumsmarkt im Tourismus, speziell für die Zielgruppe 60plus. Die Reedereien wetteifern darum, der größte zu sein oder als erster gewisse Einrichtungen zu bieten. Es gibt zum Beispiel Hochzeitskapellen, Eisbahnen und Kletterwände auf den großen, neuen Kreuzfahrtschiffen. Einkaufszentren, Gesundheits-, Sport- und Wellnesseinrichtungen, Bars, Discos, Kasinos und ein kommerzielles Unterhaltungsprogramm sind bereits Standard. Doch wo Kreuzfahrschiffe anlegen, ist ein Aufbau von Vorurteilen und ein Anstieg der Kleinkriminalität zu beobachten; ebenso die Ausbeutung von Arbeitskräften auf den Kreuzfahrtschiffen. Während diese auch zur Wasser- und Luftverschmutzung beitragen, schneiden sie hinsichtlich Landschaftszersiedlung und –zerstörung mitunter besser als der landseitige Tourismus ab.

Alexander von Schönburg empfiehlt, seltener, dafür länger zu verreisen und in dieser Zeit die eigene Wohnung unterzuvermieten. Istanbul, Tallinn, Reval oder Sofia sind lohende Ziele, die auch mit der Bahn erreichbar sind und mit einem Schiff gelangt man ab Genua oder Venedig auch nach Ägypten oder nach Griechenland. „Solche Reisen sind also durchaus eine Bereicherung des Lebens,.allerdings unternimmt man sie naturgemäss nicht vier-, fünfmal im Jahr. Viel wichtiger als ein Ortswechsel ist, dass man mit offenen Augen durch die Welt geht, statt sich als Tourist durch sie hindurchzuzappen oder damit den Flickr-Foto-Stream zu füttern.

Hubert Matt unternahm auf Facebook einen Selbstversuch und gab vor, durch Mexiko zu reisen, ohne sich jedoch aus Vorarlberg bewegt zu haben. Mit täglichen Statusmeldungen über Abfahrtspläne von Bussen, Fotos von Sehenswürdigkeiten oder Episoden zu einzelnen Orten verblüffte er nicht nur jene, die ihm auf seiner virtuellen Reise folgten und diese kommentierten, sondern vor allem auch Menschen, die ihn dann doch wieder physisch trafen, mit dem Bewusstsein, dass er ja unterwegs sein müsste. „Alle Materialien kommen aus dem Netz und werden wieder dorthin eingespeist. Dabei ergaben sich zahlreiche interessante Bekanntschaften, die aufgrund der Intensität der Recherche und des Austausches auch zu realen Begegnungen führen werden“ resümiert der Künstler.

Da kann das Zuhausebleiben gegenüber dem ‚in Urlaub fahren‘ nicht hoch genug gepriesen werden.“ Das Hotel um die Ecke bietet das Frühstücksbuffet und den Zugang zur Sauna auch Gästen, die dort nicht übernachten. Wer trotzdem ausreissen möchte: Das Leben bietet genügend Abschnitte, um auch mal die Szenerie komplett zu wechseln. Warum nicht mal den Job wechseln und umziehen und so neue Leute und Landschaft kennen lernen. Es muss ja nicht gleich ein Ort auf einem anderen Kontinent sein, der für die besuchenden Verwandte und Freunde nur mit dem Flugzeug erreichbar ist. Vielleicht reicht auch ein mit dem Zug erreichbarer Zweitwohnsitz: viele mondäne Erholungsgebiete mit Häusern aus dem frühen 20. Jahrhundert erleben heute eine Renaissance.

Eine weitere Variante, Abwechslung zu erleben, ist von Couch zu Couch zu reisen. CouchSurfing ist ein kostenloses, internetbasiertes Gastfreundschaftsnetzwerk. Die Mitglieder nutzen deren Website, um eine kostenlose Unterkunft auf Reisen zu finden, selbst eine Unterkunft oder auch anderes anzubieten, wie beispielsweise einem Reisenden die Stadt zu zeigen. CouchSurfing zählte 2009 über eine Million Mitglieder in 231 Ländern und Gebieten und ist damit die größte Vereinigung seiner Art. Um die Vertrauenswürdigkeit der Mitglieder besser einschätzen zu können, gibt es ausführliche Nutzerprofile, eine Identitätsprüfung per Kreditkarte und ein gegenseitiges Bürgschaftssystem.

Am Ende der Wohlstandsgesellschaft, zu dem das Auto so viel beigetragen hat, wird es vielleicht wieder zu dem, was es in seinen Anfangsjahren war: „ein törichter Luxus“. Wir beobachten einen Trickle-down Effekt in den wichtigsten Tourismusmärkten Nordamerika, Deutschland und Japan, wo das Nichtfliegen und Nichtautofahren inzwischen als Statussymbol gilt. Und wir werden das hektische Reisen, das früher nur Kurieren, Pilgerern, Kaufleuten und Verbrechern vorbehalten war und heute als Städte-Quickie boomt vielleicht aufgeben zugunsten einer gemächlicheren Fortbewegung in der unmittelbaren Umgebung oder für längere Zeiträume.

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Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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