open book lot
Foto von Patrick Tomasso

Über die Notwendigkeit des Scheiterns

Gabriele Oberreuter, Professorin für Kunstgeschichte an der Alanus Hochschule hat eine Tagung zum Wert des Scheiterns initiiert. Die sehr gut besuchte Veranstaltung vereinte auf außergewöhnliche Art und Weise Kunst und Wissenschaft in einem interdisziplinären Dialog.

Über die Notwendigkeit des Scheiterns

Resumée aus Sicht von Gabriele Oberreuter:
Im Gegensatz zur vorherrschenden negativen Einstellung gegenüber dem Scheitern, war es sehr eindrucksvoll, wie offen, ehrlich und einfühlsam Künstler mit Erlebnissen des Scheiterns umgehen. Die Konfrontation, das nicht-Ausweichen im Scheitern – daneben die unermüdliche Arbeitsleistung des ‚dennoch‘, des immer wieder Aufstehens nach Niederlagen – gehört für Künstler zum Alltagserleben.

Die internationale Kunstkritikerin Noemi Smolik machte dies im Blick auf Bruce Naumann und John Baldessari deutlich. Beide Künstler hatten als Maler begonnen, zerstörten dann ihr Werk, überzeugt, dass sie auf diesem Weg gescheitert waren. Ein eindringliches Bild: Den Künstler in der Leere seines Ateliers sitzen zu sehen. Neue Aufbruchstimmung erlangten beide über die bewußte Wahrnehmung des eigenen Körpers. Mit spielerischen Aktionen beginnen sie ein neues Kapitel.

Mary Bauermeister entschloss sich spontan, statt ihres vorbereiteten Vortrags eine Art „Künstlerperformance zum eige­nen Ich“ zu entwickeln. Den Zuhörern gewährte sie freimütige Blicke in ihre Lebens-Schatztruhe. Erlebnisse sowohl vom Scheitern als auch von ihrer Kraft aufzustehen, ein bis heute dichtes Lebensbild zeichnete sich ab.

Von der Hochschule waren zwei künstlerische Kollegen hinzugekommen: Suzanne Ziellenbach, Professorin für Sprecherziehung und Schauspiel, und Thomas Egelkamp, Dozent im Bereich Kunst im Dialog. Sie stellten die Thematik aus der Erfahrung und dem künstlerischen Fokus ihrer Disziplin dar. Thomas Egelkamp trat, der Jahreszeit angemessen, im Kostüm als Seeräuber auf und reihte eigene Kinderträume und Definitio­nen von Künstlertum als reiche, bunte Schnur aneinander; perfomative Elemente würdigten das Scheitern von Künstlerkollegen.

Suzanne Ziellenbach rezitierte eindringlich Texte von Heine, Kleist und Detlev von Liliencron – ihre Darstellung kam einer kleinen Bühneninszenierung gleich. Nachhaltig die Kraft des Wortes in raumfüllenden Bildern! Scheitern als große Sehnsucht, als verpaßte Gelegenheit in Liebesdingen, als unendliches Auf und Ab im Leben; Scheitern, das auch zu Glück werden kann, wenn man nur zu warten verstehe. Allein dieser Beitrag von Suzanne Zielenbach machte die Nachhaltigkeit, Kraft und Komplexität erfahrbar, mit der die Künste ein Thema auszuloten imstande sind – daneben würde manch wissenschaftliche Erörterung verblassen. Die differenzierte, das existentielle Erleben auslotende Potenz der Künste war unschlagbar!

Christiane ten Hoevel von der FH Kunst Arnstadt präsentierte 101 Fragen – als Lesung vor einer farbigen Wordcollage mit Musik von Philip Glass. Eine geradezu meditative Performance.

Claus Eurich, Professor für Kommunikationswissenschaft an der Uni Dortmund, referierte zum Thema „Vor dem Brunnen liegt die Wüste. Heilende Dimensionen des Scheiterns“. Eurich beleuchtete das Scheitern im Licht der Entwicklung des Menschengeschlechts in seiner spirituellen Dimension – als kulturelle Zusammenschau von Ost und West. Dabei hob er insbesondere auf die Vorstellungen der integralen Theorie von Jean Gebser und Ken Wilber ab.

Die Philosophin und Theologin Margot Wiegels sprach über „Leben und Kunst als Sisyphus-Arbeit. Vom Scheitern und Gelingen menschlicher Existenz bei Albert Camus“. Menschen werden erst wach, wenn sie ihr Los annehmen, wenn sie das Fremde, das ihnen aufgezwungen wird, zu ihrer eigenen Sache machen, den Stein etwa; dem permanenten Scheitern mit einem ebenso permanenten „Trotzdem“ antworten. Erst dann kann das Wissen um einen Sinn des Lebens erwachsen. Camus ist überzeugt, dass der Künstler die naive Sehnsucht nach einem zufriedenen Leben hinter sich gelassen hat. ‚Für nichts‘ arbeiten und schaffen, in Ton formen und wissen, dass sein Werk keine Zukunft hat und wissen, dass das im Grunde keine andere Bedeutung hat als das Bauen für Jahrhunderte – das ist die schwierige Weisheit.

Die Performance-Gruppe ‚Give me five‘ von der Alanus Hochschule in der das Scheitern Grundthema ist, zeigte den Versuch, sich mit angebundener rechter Hand gegenseitig zu schminken!

In einer studentischen Initiative von Eva Rebmann und Klaus Hann begleitete ein Wettbewerb das Symposium: die eindrucksvollste Scheitergeschichte wurde gesucht, die aufzuschreiben und an eine Wäscheleine zu hängen war. Der Preis: ein stürzender Ikarus! Dieser wurde am Ende der Veranstaltung verliehen.

About

Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

Gut zu wissen
Informationen zu akutellen Themen