Pia + Tobi
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Living Utopia – Ein bewusstes geldfreies Leben

Bewusst geldfreies Leben

Utopia? Tobi und Pia leben geldfrei und möchten einen Bewusstseinswandel anregen. Sie möchten ein Nachdenken und Nachfühlen über die bestehenden Verhältnisse mit dem Impuls neue Wege zu gehen und etwas zu verändern, um glücklicher, freier und nachhaltiger im Miteinander zu leben, anstoßen. Sie regen mit ihrem praktischen Leben zum Austausch an, indem sie Workshops zu verschiedenen Themen (geldfrei leben, Lebensmittelverschwendung und foodsharing, Wegwerfgesellschaft, Welternährung, Naturerfahrung, …) an Universitäten, auf Kongressen oder wo auch immer Menschen sie hin einladen, geben.

Bewusst geldfreies Leben oder: eine andere Perspektive zur Welt

In ihrem Text ziehen sie Resümee aus ihren bisherigen Erfahrungen. Ein bewusst geldfreies Leben eröffnet einige neue Perspektiven auf die Welt, das Miteinander und die Frage nach einer Gesellschaft von Morgen. Die Fragen danach, wie konkret wir die Grundbedürfnisse wie Essen, Kleidung, Wohnen, Mobilität decken können, lässt sich zusammenfassen als: Vorhandenes besser nutzen. Wir leben besonders in Deutschland in einem totalen Konsumüberfluss, der schwerwiegende Folgen für die gesamte Mitwelt mit sich bringt. Würde alle Menschen der Welt den Lebensstil der Bürger_innen in Deutschland nachahmen, bräuchte es mindestens 3 Erden.

Nun kurz die Zahlen, um einen Eindruck des unglaublichen Überflusses in Deutschland zu bekommen:

  • 50 % der Lebensmittel werden weggeworfen.
  • Durchschnittlich konsumiert jede_r Bürger_in 40 – 70 Kleidungsstücke – das sind 12 kg Stoff
  • Es gibt viel ungenutzten Wohnraum – allein 1,7 Millionen Wohnungen stehen leer
  • Wenn sich eines der 52 Millionen Autos bewegt – im Schnitt nur eine Stunde am Tag –  sitzen gerade mal 1,3 Personen drin.

Die kreativen Projekte, die versuchen diese vorhandenen Ressourcen zu teilen, werden bekannter und immer mehr. Auch hier möchten wir nur kurz ein paar dieser Initiativen nennen, um einen Überblick über die große Fülle an Potential zu geben.

  • Foodsharing: Lebensmittel retten, anstatt sie wegzuwerfen
  • Kleiderschenkpartys, Umsonstläden oder online Gruppen wie „free your stuff“
  • Be welcome: stelle deine übrige Couch Reisenden aus aller Welt zur Verfügung
  • Gib&nimm Häuser: wenn du leerstehende Räume hast oder deine Räume mit anderen Menschen teilen möchtest
  • Carsharing: die gemeinschaftliche Nutzung von Automobilen

Aus jedem Bereich der Grundbedürfnisse wurde nur kurz eine Alternative vorgestellt, jedoch gibt es noch viele mehr. Da wir einige dieser Ideen selbst mit aktiv gestalten oder durch unser geldfreies Leben kreativ mit anderen Menschen interagieren dürfen, möchten wir vor allem aus diesem Erfahrungsfeld versuchen ein paar Perspektivenwechsel zu veranschaulichen.

Gerade auf unserer Reise durften wir wir die großartige Erfahrung machen, den Verkäufer_innen eines Lebensmittelgeschäfts auf einer anderen Ebene zu begegnen. Wir dürfen die klassischen Rollen von Konsument_in und Verkäufer_in aufbrechen und überwinden. Denn wir kommen nicht mit unserem Geld an und geben dieses dann für Lebensmittel, indem wir beim Bezahlen der Hafermilch die geforderten 1,50 Euro an der Kasse abgeben. Wir begegnen den Menschen, die dort arbeiten 1 als Mitmenschen, die das Grundbedürfnis nach Essen stillen möchten und eben nicht als kaufkraftstarkes Humankapital. Es findet soziale Interaktion durch das Erklären unserer Idee statt, die beiden Seiten eine sehr spannende Erfahrung schenkt.

(1 wobei wir eher von wirken sprechen möchten und selbst auch nicht mehr unterscheiden zwischen Arbeits- und Freizeit oder zwischen Werktags und Wochenende. Wir stehen jeden Tag mit größter Freude früh morgens auf und wuppen. Dahinter steht kein Zwang, sondern die Freiheit seinem Talent nachgehen zu dürfen und der Gemeinschaft etwas zu schenken.)

Bei den Begegnungen wird deutlich, dass Geld kein trennendes Mittel zwischen Besitzenden und Besitzlosen sein soll. Wir möchten und können nur gemeinsam leben auf dieser Erde, indem wir miteinander solidarisch umgehen. Ganz den Leistungs- und Gegenleistungsgedanken aufzugeben, fällt zunächst vielen schwer. Darauf wurden wir lange sozialisiert und es entsteht ein Knoten im Kopf. Aber was ist Leistung überhaupt?

Nach unserer Erfahrung und Einschätzung misst sich die Leistung eines Menschen nach dem aktuellen Verständnis in seiner Dienlichkeit für das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Kurz: Das Geld, welches der Mensch monatlich nach Abzug der Steuern (Geld für den Staat) auf seinem Konto hat, um damit Güter zu konsumieren und die auf dem Turbokapitalismus beruhende Wirtschaftsordnung anzukurbeln. Danach leistet eine Ärztin viel mehr als ein Raumpfleger. Am Geld lässt sich dann auch der gesellschaftliche Status ableiten. Die Ärztin genießt beim Gros der Bevölkerung bis jetzt noch ein höheres Ansehen als der Raumpfleger. Möchten wir fast sagen, sie sei auch mehr wert?

Wie sagte Erich Fromm: „Es scheint […] so, als bestehe das eigentliche Wesen des Seins im Haben, so dass nichts ist, wer nichts hat.“ Zusammenführend ist also fest zu halten: Wer nichts leistet, hat nichts und wer nichts hat, ist nichts! Nun stellen sich die entscheidenden Fragen. Wollen wir diesen Leistungsbegriff aufrecht erhalten? Kann dies das Ziel der Gesellschaft sein? Wollen wir unser Leben im Namen des Mammons ableisten?

Was ist mit der fantastischen Leistung, die je nach Angaben 17 – 23 Millionen Ehrenamtliche in Deutschland tagtäglich vollbringen? Was ist mit der Malerin oder dem Musiker? Oder was ist mit dem Hausmann?

Das Bildungssystem von Heute bereitet genau darauf vor sich im Leistungswettlauf mit den Ellenbogen durchzusetzen und anstatt sich in Kooperation miteinander in Konkurrenz zueinander zu bewegen.

Wir sollten den Begriff der Leistung noch einmal stark überdenken. Wo bleibt die Idee Brakelmanns und damit der leistungslose Selbstwert eines jeden Menschen in unserer Gesellschaft, damit wir uns frei und ohne Zwang entfalten können?

Gemeinschaft

Eine Gemeinschaft, die nicht darauf beruht, einander in sozialer Interaktion auf dem Prinzip der Leistung und Gegenleistung zu begegnen, sondern sich jede_r ohne Zwang und angstfrei entfaltend, ihrem oder seinem Talent nachgehend in der Gemeinschaft einbringen darf. Denn jede_r hat ein Talent, welches er oder sie mit größter Freude mit Anderen teilt und damit multipliziert.

Beschäftigen wir uns intensiver mit den Worten Fromms „wer nichts hat, ist nichts“ und seiner Analyse des status quo, kommt außerdem die Frage nach Besitzverhältnissen auf. Anschaulich drückt sich unsere Idee in den Worten Noah Seattles und Rousseaus aus – Noah Seattle fragt um 1850:

„Wie kann man den Himmel kaufen oder verkaufen – oder die Wärme der Erde? […] Wenn wir die Frische der Luft und das Glitzern des Wassers nicht besitzen – wie könnt ihr sie von uns kaufen?

[…] Denn das wissen wir, die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde.“ Wir sind Teil der Natur und nicht ein von ihr losgelöster Organismus, der denn Herrschaftsanspruch geltend machen kann und sich nicht über diese stellen sollte. Wie können wir in unserem heutigen Eigentumsrecht davon ausgehen, dass wir ein Stück Land von jemandem abkaufen? Verfolgen wir dieses Verhalten des Landverkaufs zurück, wird deutlich, dass die erste Person sich das Land hat aneignen  und sagen müssen, dass dieses Land nun dieser  Person gehöre. Darauf aufzubauen, erscheint uns aber sehr bizarr und hinterfragenswert.

Die Erde gehört niemandem, aber die Früchte uns allen.“ fasst Rousseau sehr schön zusammen. Wir machen aber bisher weiter und verlieren unser Sein im Haben. Ganz nach Erich Fromm: „Wer nichts hat [und nichts leistet], ist nichts!“

Wir möchten versuchen außerhalb dieser Denkmuster zu überlegen, was möglich sein könnte. Vielleicht ist das 9 – Punkte Problem bekannt: Die Aufgabe besteht darin, 9 quadratisch angeordnete Punkte mit einem Stift durch vier gerade Linien zu verbinden, ohne den Stift abzusetzen. Eine sehr interessante Knobelaufgabe, die aufzeigt, dass wir auch außerhalb der Matrix nach Lösungen suchen sollten, weil sich manche Probleme sonst nicht lösen lassen …

Wir möchten den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel, der nun unweigerlich kommen wird „by design“ gestalten und laden dazu ein mitzuwirken und die Veränderung zu sein, die wir sehen möchten in der Welt.

Perspektivenwechsel

Wir möchten mit dem Perspektivenwechsel durch das bewusst geldfreies Leben neue Erfahrungen teilen und Möglichkeiten einer Gesellschaft von Morgen anbieten. Auch, wenn dieser Lebensweg auf den ersten Blick „extrem“ erscheinen mag, lässt uns dies vielleicht auch reflektieren, was „extrem“ überhaupt bedeutet… Dass wir unser Leben nicht normkonform und der Mehrheit der Gesellschaft entsprechend gestalten, dürfte schnell deutlich werden. Unsere Lebensweise entspricht sicherlich nicht direkt dem nächsten Schritt, der in eine Gesellschaft von Morgen gegangen werden kann, sondern eher einigen mehr. Wir sind uns bewusst, dass wir unsere Utopie – eine solidarische Gesellschaft, in der Geld keine Rolle spielt – in unserem Leben wohl nicht erreichen werden, aber genau deshalb ist es ja eine Utopie: Wir möchten uns auf den Weg dorthin machen, einen Prozess anregen und einladen, mitzukommen. Denn, die Utopie, „sie ist am Horizont“, sagt Fernando Birri.

“Ich mache zwei Schritte auf sie zu, sie entfernt sich zwei Schritte. Ich gehe zehn Schritte, und sie entfernt sich zehn weitere Schritte. Und wenn ich noch so weit gehe, ich werde sie nie erreichen. Wozu ist sie also da, die Utopie? Dazu: damit wir gehen.“

Diesen Weg möchten wir vor allem durch unser junges Netzwerk living utopia gehen, um möglichst viele Menschen daran teilhaben zu lassen:  living utopia  vereint theoretische Ideen gezielt mit praktischen Umsetzungsmöglichkeiten, die zeigen, dass wir utopische Ideen durch unser Handeln im täglichen Miteinander lebendig werden lassen können. living utopia schafft durch verschiedene Zukunftsprojekte einen Mitmachraum, in dem sich alle ohne Zwang, Druck und Angst frei entfalten und entwickeln dürfen. Ein  nächstes großes Projekt von uns ist das „utopival – zeit für veränderung“, ein utopischer Mitmachkongress im September.

Mehr dazu hier: www.livingutopia.org

 

LINK
www.nextcultureinfo.org

About

Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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