factory Themenheft Sisyphos

factory magazinWo stehen wir in Sachen Nachhaltige Entwicklung? Fragt man Nachhaltigkeitsaktivisten und -wissenschaftler, erhält man oftmals nüchterne Fakten – und erklärte Enttäuschung über das bisher Erreichte. Was so enthusiastisch in den 1990er Jahren als anschlussfähiges globales Gerechtigkeitsprojekt gestartet war, hat davon, so scheint es, nur wenig erreicht. Nachhaltig wirtschaftend, also ökonomisch, ökologisch und sozial gerecht, arbeiten nur wenige Tausend Unternehmen in Deutschland – global sieht es nicht anders aus.

„Unmöglich ist es überhaupt nicht.“

Angesichts von Fracking-Euphorie, einer EU ohne konkrete Zielsetzungen und  erfolglosen UN-Klimaverhandlungen haben viele engagierte Menschen die Hoffnung verloren, dass die Welt mit politischen Instrumenten nachhaltiger werden kann. Ernst Ulrich von Weizsäcker war Politiker und Wissenschaftler und schätzt die Kraft zur Steuerung immer noch. Ein Interview mit Ernst-Ulrich von Weizsäcker von Ralf Bindel.

Die tröstliche Schönheit des Scheiterns

In Sachen Nachhaltige Entwicklung können nicht alle Blütenträume reifen. Das darf aber nicht frustrieren, sondern muss ermuntern. Zur Ästhetik und Notwendigkeit des Scheiterns. Nachhaltigkeit. Ganz Deutschland führt das beliebte, aber semantisch ach! so leere Wort im Mund — allen voran die Verantwortung Tragenden. Das klingt nach berechtigter Euphorie.

Erste Mahnung: Nachhaltige Entwicklung ist keine Heilsgeschichte

Einige Engagierte in Sachen Nachhaltigkeit denken nach wie vor im Muster von Mahnung und Umkehr, Buße und Errettung. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn in nicht nur einer Hinsicht führt der Nachhaltigkeitsdiskurs theologische Motive fort. Es ist aber der Sache nicht dienlich, mit Schuld und Sühne zu argumentieren, wenn man nicht nur recht behalten, sondern vor allem nachhaltige Lebensstile möglichst vielen Menschen schmackhaft vermitteln will.

Zweite Mahnung: Nachhaltiges Agieren ist essayistisch, nicht instrumentell

Nachhaltiges Handeln bedeutet Handeln in Zyklen, in konsistenten, also natürlichen Kreisläufen; die Kreisläufe der Natur sind aber für uns überkomplex und lassen sich nicht ohne weiteres technisch-industriell nachbilden, was wenig überraschen kann, wenn man sich die ungeheure zeitliche Dimension der Evolution vor Augen hält. Teil dieser Zyklen ist auch das Scheitern, das Nichtgelingen; es muss sogar gesagt werden: Zyklisches Denken hat eine Ästhetik des Scheiterns. Und so kann ein Künstler vermutlich Wesentlicheres zu einer nachhaltigen Entwicklung beitragen als ein Prozesschemiker.

So lasst uns denn die Macht ergreifen

Die internationale Politik könnte ein kraftvoller Motor der Transformation sein, um den Klimawandel zu begrenzen. Sie bleibt aber in den eigenen Bedingungen stecken. Jenseits von Enttäuschungen ist dennoch genug Raum für unkoordiniert Wirksames.

Europa hat mit der fossil basierten Industriegesellschaft das Modell einer Gesellschaft geschaffen, das als Vorbild heute global konkurrenzlos ist – ein unglaublicher Erfolg einer „Marke“. Damit ist zugleich ein zentraler Wirkmechanismus der Klimapolitik beschrieben, wenn auch hier im Modus des Negativen, der Klimaschädigung: Es ist der Mechanismus von Vorbild und Abbild, des Drangs des Hineinwachsens der nachfolgenden Eliten – und dann der Massen – in ein Wohlstandsmodell, in die vorgelebten Statussymbole von Reichtum, Erotik und Macht.

Dieser Mechanismus wirkt, unabhängig von der Konkretion der Statussymbole. Also kann man die Energie des Hineinwachsens leicht nutzen, indem man das Bild ändert, dessen Kopie die Menschen vielfältig zu erreichen versuchen. Der Kopf muss sich ändern. Mehr nicht. Dafür sagen wir am Wuppertal Institut Suffizienz.

Mit Gemeingut gegen das Politikversagen

Wächst der Frust über die herrschende Wirtschaftsordnung, wachsen auch neue Ideen  und Alternativen. Weil ihr Gemeinwohl mehr wert ist als Geld, findet eine Gegenkultur neue Lösungen zum guten Leben. Dezentral und gut vernetzt könnten die Inseln zum Kontinent werden.

Aus Sicht traditioneller Ökonomen verhält sich Alex Shure völlig irrational: Er verschenkt Ideen und Baupläne, mit denen er wahrscheinlich viel Geld verdienen könnte. Doch genau das interessiert den 27-Jährigen nicht. Er hat einfach keine Lust auf Konkurrenz und Karriere, sondern lebt stattdessen lieber in einer weltweit vernetzten Gemeinschaft von Leuten, die sich gegenseitig unterstützen. Zur Zeit schläft er in der Wohnung eines Bekannten in Berlin, der gerade verreist ist und isst in der Nowhere Kitchen in Neukölln, wo Leute das gemeinsam zu köstlichen Mahlzeiten verarbeiten, was gerade da ist.

Weil solche neuen Formen der Wirtschaft nicht der alten Quantifizierungs- und Wachstumslogik folgen, blieben sie lange Zeit unterhalb des Radarschirms der traditionellen Ökonomie. Doch inzwischen entwickeln sie sich in erstaunlichem Tempo und wuchern in den Mainstream hinein.

Antreiber dieser neuen Bewegung sind weder ökologische noch moralische Motive, sondern der Wunsch nach einem guten Leben. Geld und immer mehr Geld ist fürs Wohlbefinden der Menschen in reichen Ländern völlig irrelevant, hat die internationale Glücksforschung herausgefunden. Zugleich ist vielfach belegt, dass wachsende Ungleichheit eine Gesellschaft zermürbt und unzufrieden macht. Nicht einmal diejenigen, die oben sitzen, fühlen sich besser. Was aber ist dann der Sinn einer Wirtschaftsweise, die das Weltklima aufheizt, immer mehr Arten den Garaus macht und Menschen, Tiere und Pflanzen vergiftet?

 

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Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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