Greenwashing > Kapitalmarkt, Geschäftspartner und Endverbraucher verlangen von Unternehmen, dass sie Verantwortung zeigen: Sie sollen ökologische und soziale Anforderungen berücksichtigen – über das gesetzlich geforderte Minimum hinaus. Ein Blick auf Korruptionsskandale, Umweltkatastrophen und irreführende Werbeaussagen zeigt aber: Manche Unternehmen haben lediglich „grüne Fassaden“ aufgebaut. Kommt das an die Öffentlichkeit, entziehen ihnen Konsumenten und andere Stakeholder leicht das Vertrauen. PwC-Experten erläutern, wie Unternehmen den Verdacht des Greenwashing gar nicht erst aufkommen lassen.
Der Trend zu Bio- und Fair-Trade-Produkten ist ungebrochen. Die Gruppe der Konsumenten, die Gesundheit mit Genuss kombinieren wollen, wächst. Diese sogenannten LOHAS, die einen Lebensstil für Gesundheit und Nachhaltigkeit pflegen („Lifestyle of health and sustainability“), wollen wissen, unter welchen Bedingungen ein Produkt hergestellt wird. Und sie sind bereit, für diesen indirekten Zusatznutzen mehr zu zahlen.
Unternehmen reagieren auf diesen Trend, indem sie ökologische oder soziale Vorzeigeprojekte bewerben oder in ihrem Nachhaltigkeitsbericht beschreiben, dass sie als Unternehmen verantwortungsbewusst handeln. Glaubwürdig ist das nur dann, wenn das Berichtete mit dem tatsächlichen Handeln übereinstimmt und nicht lediglich ein grüner Deckmantel über ein unverändert wenig grünes Geschäft gelegt wird.
Greenwashing setzt die Glaubwürdigkeit aufs Spiel
Versucht eine Organisation durch Desinformation ein positives ökologisches Image in der Öffentlichkeit zu erreichen, spricht man von Greenwashing. Wirken Unternehmen durch Lobbying auf politische Entscheidungsträger ein, um etwa auf die Schwächung verbindlicher Umweltvorgaben hinzuwirken, wird auch von „Deep Greenwash“ gesprochen.
Mit einem solchen Verhalten riskiert ein Unternehmen erheblichen Imageschaden. Andere Marktteilnehmer werden diskreditiert, wenn das (ent)täuschende Verhalten des Unternehmens als branchentypisch wahrgenommen wird. Auch Beschwerden direkt bei Unternehmen oder bei staatlichen Aufsichtsorganen und Branchenverbänden bis hin zu öffentlichen Rügen oder Klagen wegen unlauteren Wettbewerbs sind möglich.
„Im Extremfall führt Greenwashing dazu, dass die Öffentlichkeit generell das Vertrauen in das verantwortliche Handeln von Unternehmen verliert“, sagt Dieter Horst, PwC-Experte für Nachhaltigkeit. Als mögliche Folgen nennt er rückläufige Verkaufszahlen tatsächlich nachhaltiger Produkte und verstärkte Regulierung.
Typische Greenwashing-Strategien:
- Versteckte Zielkonflikte: Ein Produkt wegen einer einzelnen Eigenschaft als umweltfreundlich bewerben, obwohl andere Produkteigenschaften umweltschädlich sind.
- Fehlende Nachweise: Aussagen treffen, die nicht durch unabhängige Stellen verifiziert oder durch aussagekräftige Studien belegt werden können.
- Vage Aussagen: Unklar definierte Begriffe verwenden, die leicht missverstanden werden können.
- Falsche Labels: Von unseriösen Instituten oder selbst erfundene Labels verwenden, die praktisch keinen Aussagewert haben.
- Irrelevante Aussagen: Aussagen treffen, die zwar stimmen, aber keinen Aussagewert haben. (Beispiel: Ein Produkt wird mit der Aussage FCKW-frei beworben, obwohl dies nur gesetzliche Vorgaben umsetzt).
- Kleineres Übel: Ein Produkt mit einem noch weniger umweltfreundlichen Produkt vergleichen, um es in besserem Licht erscheinen zu lassen.
- Unwahrheiten: Faktisch unzutreffende Werbebotschaften senden (Beispiel: Es wird ein Bio-Siegel verwendet, obwohl das Produkt gar nicht für dieses Siegel zertifiziert wurde).
Besonderen Schaden fügt es dem Image eines Unternehmens zu, wenn es von Nichtregierungsorganisationen öffentlich angeprangert wird. Die Organisation LobbyControl verleiht beispielsweise den Climate Greenwash Award und deckte in einer Studie zu „Greenwash in Zeiten des Klimawandels“ auf, wie Unternehmen ihr Image grün färben.
Für Investoren und kritische Verbraucher, die Nachhaltigkeitsaspekte in ihren Investitions- und Kaufentscheidungen berücksichtigen wollen, sind die Kriterien von Interesse, die für solche Negativ-Awards herangezogen werden. Beispielhaft sind links in dem Kasten die „sieben Sünden“ genannt, die TerraChoice, eine US-amerikanische Umweltberatungsagentur, für den „Greenwashing Report“ bei Konsumgütern heranzieht. An diesen Kriterien können sich Unternehmen, die Greenwashing vermeiden wollen, orientieren.
Kontrollinstanz für nachhaltigkeitsbezogene Werbeaussagen fehlt
Konsumenten bemerken das Greenwashing nicht unbedingt sofort. Denn oft sind detaillierte Kenntnisse erforderlich, beispielsweise zu seriösen Labels oder zu Inhaltsstoffen von Produkten. Noch schwieriger wird es, wenn nicht nur ein einzelnes Produkt, sondern gleich das gesamte Unternehmen im Hinblick auf seine unternehmerische Verantwortung beurteilt werden soll. „Mittelfristig wird deshalb wahrscheinlich eine verschärfte Regulierung zu Werbebotschaften in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte auf die Unternehmen zukommen“, meint Dieter Horst.
Verordnungen bedeuten administrativen Aufwand
Ein Beispiel für eine solche Regulierung ist die sogenannte Health Claims-Verordung. Sie erfordert für nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben in der Werbung und Kennzeichnung von Lebensmitteln eine ausdrückliche Zulassung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Basis von Nährwertprofilen. Dabei gilt: „Was nicht erlaubt ist, ist verboten“.
Die Verordnung hat die Zahl der gesundheitsbezogenen Werbebotschaften bereits drastisch reduziert. Für Unternehmen bedeutet das aber bürokratischen Aufwand. „Soll ein solches Verfahren für Nachhaltigkeitsbotschaften abgewendet werden, müssen Unternehmen schnell handeln, um den bestehenden Wildwuchs einzudämmen“, sagt Dieter Horst.
Werbeaussagen sollten „akkurat, überprüfbar und nicht irreführend“ sein
Ansätze für die kritische Beleuchtung der eigenen Unternehmenspraxis gibt es reichlich. Der ISO 14021:1999 formuliert einen allgemeinen Standard für Ökomarketing. Darin sind detaillierte Anforderungen an „environmental claims“ enthalten, sowohl für produktbezogene als auch für unternehmens- und imagebezogene Aussagen. Der Standard fordert, Werbeaussagen mit Umweltbezug „akkurat, überprüfbar und nicht irreführend“ zu formulieren.
„Bei ihrer Außendarstellung sollten sich Unternehmen auf Informationen konzentrieren, die für Stakeholder entscheidungsrelevant sind und dabei im Sinne der Vollständigkeit und der Ausgewogenheit auch negative Entwicklungen offenlegen“, empfiehlt Nachhaltigkeitsexperte Dieter Horst. Dazu gehöre auch die Kommunikation darüber, was getan wird, um bekannte Missstände zu beseitigen.
Stabstelle für Corporate Responsability als thematische Kontrollinstanz
Die Ursache für das Greenwashing liegt häufig in mangelnder Abstimmung im Unternehmen. Dazu kommt es beispielsweise, wenn die Marketing-Abteilung Aussagen zur Nachhaltigkeit in Werbekampagnen nutzt, ohne weitere Rücksprache mit den inhaltlich Verantwortlichen.
Dieter Horst rät Unternehmen deshalb zu einer effektiven Organisation der Corporate Responsibility, beispielsweise in Form einer Stabstelle, die sich nicht als losgelöst vom eigentlichen Unternehmenshandeln versteht, sondern die ihre zentrale Rolle in der Qualitätssicherung und Steuerung der CR-Aktivitäten des Unternehmens sieht. So verstanden kann sie als thematische Kontrollinstanz wirken.
Quelle: pwc