Neue Arbeit bedeutet vieles: Weniger Abhängigkeit von bezahlter Arbeit. Mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben. Weniger Ballast, mehr Lebensqualität. Ein elegantes, gesundes und vitales Leben nicht nur für Eliten, sondern für alle. Möglich wird all dies durch neue, intelligente Technologien und ein ebenso neues Bild von Arbeit.
Die Gegenwart
Die Industrialisierung hat viele ihrer Versprechen nicht wahr gemacht. Massenartikel sind billig zu produzieren, aber werden noch immer teuer gekauft. Der Leistungsdruck im Beruf wächst seit Jahrzehnten, während die sozialen Netze zerfallen.
Menschen, die einen Job haben, fürchten die Arbeitslosigkeit und reiben sich in ihrem Job zusehends auf. Diejenigen, die bereits arbeitslos sind, suchen Perspektiven und vor allem: einen Job. Weder Menschen mit noch Menschen ohne Arbeit sind wirklich zufrieden. Der technische und wirtschaftliche Fortschritt der letzten 50 Jahre hat die Menschen nicht glücklicher gemacht.
Die post-industrielle Zukunft
In den letzten 15 Jahren sind Wege entstanden, die uns erlauben, jenseits der industriellen Fertigung zu produzieren. Ganz alltägliche Dinge: So kann man seine eigenen Bücher drucken, seine eigenen CDs brennen oder gratis professionelle Software nutzen.
In naher Zukunft werden wir erleben, dass wir immer mehr Gegenstände des täglichen Bedarfs selbst herstellen können: Kleidung, Möbel, Waschmaschinen, Schmuck, selbst ein Telefon oder eine Uhr.
Modernste Technologie
Natürlich kann man sein Handy oder die Kontaktlinsen nicht wie Socken einfach selberstricken. Dazu benötigt man modernste Technik. Diese Geräte werden in lokalen Werkstätten verfügbar sein, wie die Maschinen in den heutigen Copyshops.
Mehr Zeit für das Leben
Weil diese Technik intelligenter und effizienter ist, werden die Produkte viel weniger kosten. Weniger Geld, weniger (Arbeits-) Zeit. Wir könnten endlich wieder weniger arbeiten, um ein erfülltes, angenehmes und komfortables Leben zu führen. Und hätten so mehr Zeit uns den Dingen zu widmen, die wir wirklich, wirklich wollen.
Das bäuerliche Zeitalter hatte sein eigenes, zu ihm passendes System der Arbeit, das Arbeitssystem der Gutshöfe, Bauern und Landarbeiter. Während der industriellen Epoche d.h. ungefähr während der letzten 200 Jahre wurde die Arbeit auf verschiedene Arbeitsplätze, auf Jobs aufgeteilt. In dieser Epoche war das Job-System die vorherrschende Organisationsform der Arbeit.
Nun, da wir in das post-industrielle Zeitalter eintreten, muss die Arbeit wieder auf eine völlig neuartige Weise organisiert werden, die sich vom Job-System genauso stark unterscheidet, wie sich dieses von der vorangegangenen bäuerlichen Arbeit unterschied. Diese neue, nächste Organisationsform der Arbeit ist die Neue Arbeit. Sie passt zur post-industriellen Wirtschaft, und sie wird uns den Aufstieg in die post-industrielle Kultur ermöglichen.
Post-industriell ist ganz wörtlich gemeint: Das Zeitalter der großen Industrien mit ihren zentralisierten Fabrik-Kolossen versinkt in der Vergangenheit. Die bahnhofsähnlichen Hallen, in denen Tausende von Arbeitern unsere Verbrauchsgüter herstellten, sind überholt und nicht mehr konkurrenzfähig. Ob Kühlschrank oder Waschmaschine, ob Kleidung, Schuhe oder Möbel, ob Fernseher, Handys oder sogar Autos bald wird alles in kleinen, agilen und flexiblen, dezentralisierten, hochtechnisierten, weitaus sparsameren und effizienteren Werkstätten hergestellt werden.
Eine Konsequenz daraus unter vielen anderen ist verblüffend und verändert die Situation grundlegend: Sie lautet, dass es für eine Wohngegend oder ein Dorf bald möglich sein wird, für den eigenen Bedarf bis zu 80 Prozent aller benötigten Verbrauchsgüter zu produzieren und nicht nur für den Grundbedarf. Ganz im Gegenteil. Nein, alles, was für ein elegantes, fröhliches und befriedigendes modernes Leben nötig ist.
Während des bäuerlichen Zeitalters bestand ein Großteil der Arbeit darin, für den Eigenbedarf Brot, Butter, Eier, Kartoffeln, Wurst, Honig und Feuerholz zu machen. In einer überraschenden Kehrtwende wird im nun heraufziehenden post-industriellen Zeitalter die Herstellung von Dingen für den Eigenbedarf wieder einen Großteil der Arbeit ausmachen, mit dem gravierenden Unterschied, dass diese gemeinschaftsversorgende Arbeit nicht nur die eigenen Grundbedürfnisse befriedigen, sondern die Herstellung von allem umfassen wird, was für ein gesundes, vitales und komfortables Leben nötig ist. Natürlich werden die Menschen all diese Dinge nicht in ihrem privaten Keller produzieren, sondern in Gemeinschaftswerkstätten, die allmählich an die Stelle der Boutiquen in den Einkaufszentren treten werden und die wirtschaftlich ziemlich ähnlich funktionieren und operieren werden wie jetzt schon die bekannten Kopierläden.
Die Produktionskapazität dieser Gemeinschaftswerkstätten wird so beeindruckend und fortgeschritten sein (zum Teil dank ihrer Ausstattung mit Fabrikatoren), dass diese hochtechnisierte gemeinschaftsversorgende Arbeit nur zwischen 6 und 14 Stunden pro Woche beanspruchen wird. Die restlichen zwei Drittel der Arbeit werden in einer völlig anderen, in einer nicht auf die Gemeinschaft, sondern auf einen selbst ausgerichteten Weise strukturiert sein.
Während des industriellen Zeitalters wurde der überwiegende Teil der Arbeit mit Muskelkraft verrichtet; sie war stumpfsinnige, zermürbende, erschöpfende Knochenarbeit. Im post-industriellen Zeitalter wird diese Arbeit fast völlig von Maschinen erledigt werden. Zwei Drittel aller Arbeit kann dann Arbeit sein, die einen stärker macht, die auf einen selbst abgestimmt ist, einen weiterbringt, die der Selbstverwirklichung dient. Das stellt einen enormen Fortschritt dar, denn in der Vergangenheit konnten nur kleine privilegierte Eliten Künstler, Intellektuelle und Erfinder das herzhafte Lebenselixier solcher Arbeit genießen. Das lässt sich nun ändern.
In der post-industriellen Epoche werden vielleicht alle Menschen, in allen Ländern und in allen Lebensbereichen, die Möglichkeit zu solcher Arbeit haben, Arbeit, die sie ernsthaft und aus tiefstem Herzen wollen. Es ist eine grundlegende, unumstößliche Tatsache, dass Menschen miserabel arbeiten, wenn sie unter Zwang stehen, und unvergleichlich viel besser, wenn sie etwas tun, was sie begeistert, etwas, an das sie glauben, etwas, wonach sie sich sehnen. Das aus einem Drittel gemeinschaftsversorgender und zwei Dritteln Selbstkultivierungsarbeit bestehende System der Neuen Arbeit wird deshalb ökonomisch dem Lohnarbeitssystem, welches es zu ersetzen begonnen hat, um Längen überlegen sein. Es wird billiger, schneller, effizienter und mit weitaus weniger Abfall produzieren als die Wirtschaft, die wir jetzt hinter uns lassen. Aber das ist nur die eine Seite. Die andere ist, wie diese nächste Struktur, diese Struktur der Neuen Arbeit die Menschheit transformieren wird.
Selbstkultivierungsarbeit wird die Menschen erheben wie eine Leiter: Sie wird ihnen helfen, zu erkennen, was sie wirklich wollen, so dass sie nicht mehr, verzweifelt um sich schlagend, in der Armut der Begierde versinken. Dass sie ihre Wünsche kennen und ihnen in ihrer Arbeit Ausdruck verleihen können, wird wiederum ihre Spannkraft und Vitalität stärken; es wird ihnen helfen, einfach nur die Stärke zu gewinnen, ohne die das moderne Leben nicht bewältigt werden kann.
Die Chance, zwei Drittel der eigenen Arbeit gezielt in die eigene Entwicklung zu investieren, wird deshalb möglich machen, was weder Demokratie noch Erziehung noch Wohlstand geschafft haben: Wir, das Volk und damit sind auch die 85 Prozent gemeint, die bisher die Galeeren rudern mussten werden endlich die Chance haben, zu voll entwickelten Menschen zu werden, heranzureifen und nicht nur in Sonntagsreden, sondern in der Wirklichkeit wahrhaftig frei zu werden!
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