Von der Wiege zur Wiege

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epea logo1Dr. Michael Braungart, der gemeinsam mit dem US-amerikanischen Architekten William McDonough, 2003 das Buch und Konzept „Cradle to Cradle®“ veröffentlichte. Wir widmen uns eben diesem Konzept und der Vision einer Öko-innovativen Kreislaufwirtschaft. Die Transformation unserer Konsum- und Wegwerf-Gesellschaft zu einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft ist nicht drängend, sie ist überfällig. Die daraus wurzelnden Probleme, die sozialen und ökologischen Probleme und Langzeitschäden gewinnen jährlich an Dramatik. Das Wegschauen muss ein Ende finden, das Reden muss durch rasches und sogleich faires Handeln ersetzte werden.

VISIONÄRE EINER NACHHALTIGEN ENTWICKLUNG

Doch welche Konzepte und Lösungen führen zum Ziel? Was ist Utopie bzw. Ökopopulismus, was tragfähiger Entwurf für eine Wirtschaft von Morgen?

Die großen Herausforderungen unserer Zeit sind der perfekte Nährboden für ebenso große Visionen und Konzepte, die uns einen Ausweg versprechen. Der Grat zwischen genialem Weitblick und realitätsfernem Ökopopulismus zeigt sich dabei sehr schmal – und die beiden Punkte schwer voneinander unterscheidbar.
Doch auch wenn manche dieser Konzepte weder kurz- noch mittelfristig umsetzbar erscheinen (bzw. ihren Beweis auf Umsetzung schuldig bleiben), so können sie vor allem eines: Mut machen, Aufmerksamkeit erzeugen und einem Katalysator gleich die Reaktionsgeschwindigkeit der Politik und Gesellschaft erhöhen. Eine nicht zu unterschätzende Funktion – vor allem in der Aufmerksamkeitsökonmie des 21. Jahrhunderts. Denn gerade die Medien greifen diese verheißungsvollen Konzepte gerne auf und rücken damit Themen der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses.

Faktor 4, Faktor 5 und Faktor 10

Schon 1995 veröffentlichte Ernst Ulrich von Weizsäcker (mit Amory Lovins und Lovins Hunter) sein Konzept „Faktor 4“, das als Bericht an den Club of Rome vorgelegt wurde und für die Steigerung der Ressourcenproduktivität eintritt. Motto: „Doppelter Wohlstand – halbierter Naturverbrauch“.
Ernst Ulrich von Weizsäcker zählt zu den führenden Köpfen im Kampf für eine nachhaltige Entwicklung und veröffentlichte vor kurzem sein neues Buch „Faktor Fünf: die Formel für nachhaltiges Wachstum“ (Droemer/Knaur Verlag, März 2010; E.U.v.Weizsäcker, M.Smith, K.Hargroves; ISBN 978-3-426-27486-6).

Ebenfalls in den Neunziger Jahren (1992-1994) entwickelten Friedrich Schmidt-Bleek  und sein Team am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie (Deutschland) das Konzept „Faktor 10“ und das dahinter liegende Umweltkonzept der Dematerialisierung. Schmidt-Bleek rückte dabei den sogenannten "Ökologischen Rucksack" in den Mittelpunkt der Diskussion, also denjenigen Stoff- und Energieverbrauch, der nicht in den eigentlichen Produkten steckt, aber im Vorfeld an irgendeiner Stelle des Lebenszyklus, z.B. in Vorprozessen, geschieht. In Schmidt-Bleek´s Konzept wurde die noch bevorstehende, wirtschaftliche Entwicklung der ärmeren Länder berücksichtigt und mit entsprechendem Entwicklungsraum bedacht. Es wird bis heute in den Faktor 10 Instituten weiterverfolgt.

Energieautonomie

Als Visionär gilt auch der „Sonnenkönig“ Hermann Scheer , der bereits 1987 sein erstes Buch zur Energie- und Umweltproblematik (Titel: Die gespeicherte Sonne. Wasserstoff als Lösung des Energie- und Umweltproblems) veröffentliche und während seines langjährigen Engagements auch den alternativen Nobelpreis für seinen Einsatz um die Solarenergie erhielt. Die Gedanken aus seinem Buch „Energieautonomie. Eine neue Politik für erneuerbare Energien“ (Kunstmann Verlag, 6. Auflage, Mai 2005;H.Scheer; ISBN 3-88897-390-2) wurden 2010 auch als Kinofilm umgesetzt (Titel: „Die 4. Revolution“). 2010 wird sein neues Buch mit dem kolportierten Titel „Energethik“ erscheinen und erneut einen Ausweg aus der Einbahnstraße der fossilen Energieversorgung skizzieren – und fordern.

Erneuerbare Energie: Bei dem aktuellen Anteil von wenigen Prozenten am weltweiten Energiemix kann man gut und gerne von einer großen Vision sprechen. Und vielleicht entfaltet dieses Ziel gerade deshalb seinen besonderen Reiz.

The Blue Economy

Ebenso präsent und vielversprechend sind die Ausblicke und Thesen des Unternehmers und Initiators der Zero Emissions Research & Initiatives , Gunter Pauli, der mit The Blue Economy  (Paradigm Publishers, Juni 2010; G.A.Pauli; ISBN 978-0912111902) erneut ein Buch als Bericht an den Club of Rome veröffentlichte. Der Untertitel „10 Years, 100 Innovations, 100 Million Jobs“ spart dabei nicht mit großen Versprechungen – eine Garantie für die entsprechende Medienaufmerksamkeit.

Sie alle sind wichtige Botschafter für eine nachhaltige Entwicklung. Ihre visionären Konzepte und ambitionierten Forderungen haben wichtige Medienaufmerksamkeit erzeugen können. Ist Dr. Michael Braungart einer der nächsten großen Namen in diesem Spiel der grünen (oder blauen) Visionen für unsere Zukunft?
 
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QUO VADIS RECYCLING
 
Mit dem Konzept der Ökoeffektivität (Cradle to Cradle®) trifft der deutsche Chemiker Dr. Michael Braungart augenscheinlich einen Nerv der Zeit. Denn: Müll ist allgegenwärtig und die Mengen wuchsen in den letzten Jahrzehnten ähnlich dem Wirtschaftswachstum.

Gerade in Zeiten steigender Rohstoffpreise setzt sich verstärkt die Erkenntnis durch, dass Müll eben nicht nur Müll ist. „Abfälle sind Rohstoffe am falschen Ort“ – das hatte man schon vor einigen Jahren erkannt und das System des Trennens, Sammelns und Wiederverwertens sukzessive ausgebaut. Wir sind an einem Punkt angekommen, wo sich selbst der Abbau von alten Mülldeponien – ökologisch und ökonomisch – lohnen kann. Denn die begrabenen Altstoffe beinhalten unter anderem wertvolle Metalle, die dringend gebraucht werden.
Zeitgerechtes Recycling spart den Volkswirtschaften Milliarden und reduziert dabei die Belastungen für die Umwelt. Mit der Sichtachse der Ökobilanz von Produkten – von der Wiege bis zur Bahre – gewinnt der verantwortungsvolle Umgang mit unseren Abfällen weiter an Bedeutung.

Doch nicht nur Klimaschutz und Umweltbewusstsein sind Treiber der Entwicklung. Die radikale Verknappung der Primärstoffe (bzw. die stark steigende Nachfrage durch Wachstumsmärkte wie China) macht den vermeintlichen Abfall zum großen Geschäft. In vielen Bereichen liegt der Abschlag zwischen Primärstoff und Recycling Material gerade noch bei 10 bis 20 Prozent. Die Branche boomt und so erzielt man in Deutschland für die Tonne Recycling Kunststoff (je nach Qualität) bereits 300 bis 400 Euro.

Doch trotz der Fortschritte durch eine wachsende Anzahl von Abfall-Verordnungen und Anreiz-Systemen, hinterlassen wir tagtäglich viele Millionen Tonnen unwiederbringlichen Müll. Und auch jene Anteile die in den Recycling Prozess eingeführt werden, werden nach dem dominierenden Downcycling als mindere Stoffe weiterverarbeitet bzw. werden zur Energiegewinnung verbrannt. Tiefe Einblicke zum Thema gibt auch der 2009 von der NZZ veröffentlichte große Recycling Report.

In Österreich wird dazu aktuell – unter der Führung des Lebensministeriums – am österreichischen Ressourceneffizienz Aktionsplanes (REAP) gearbeitet, der einen wichtigen Beitrag zur Reduktion des Ressourcenkonsums in Österreich leisten soll.

Siehe: https://www.nachhaltigkeit.at/article/articleview/82975/1/25540/
 
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DIE 3. WELT: MÜLLDEPONIE DER INDUSTRIESTAATEN
 
Doch so gern wir auch von einem funktionierenden Recycling System sprechen mögen so ist es traurige Realität, dass immer mehr unseres problematischen Abfalls in großen Frachtschiffen in Länder der Dritten Welt verschifft wird. So landet der umweltbewusst entsorgte Computer plötzlich in Afrika, um dort unter menschenunwürdigen Bedingungen von der hungernden Bevölkerung mit bloßen Händen zerlegt zu werden. Ebenso geschieht das im großen Stil mit Autos und sogar ganze Tankschiffe finden zur Demontage ihren Weg nach Indien und Afrika.

Denn die fachgerechte Entsorgung von z.B. Elektroschrott ist – in unseren westlichen Ländern – teuer geworden. Die Auflagen sind hoch und so umgehen findige Unternehmen die Ausfuhrverbote in die Dritte Welt, indem der Schrott als Handelsware deklariert wird. Und auch wenn der eine oder andere alte Computer seinen Weg in eine Schule findet, so landet der große Teil in der stark wachsenden Müll-Branche. Und wieder arbeiten die Menschen in der dritten Welt für den Reichtum unserer westlichen Zivilisation, wobei es diesmal nicht um Gold oder Diamanten geht – sondern eben um Schrott.

50 Millionen Tonnen mit Blei, Cadmium, Barium, Quecksilber, Chrom und anderen Giftstoffen beladenen Elektroschrotts entstehen jährlich weltweit. 500 Schiffscontainer landen davon im Hafen von Lagos – wöchentlich. Die Zeit, in welcher wir unsere alten Kühlschränke im Wald abluden ist vorbei – heute verschiffen wir sie (unwissend) in die Dritte Welt.

Die sozialen Auswirkungen sind dramatisch. Die Demontage des Schrotts erfolgt auf freien Flächen. Sicherheits- und Umweltbestimmungen gibt es vor Ort keine. Wie dramatisch die Auswirkungen sind zeigen erste Untersuchungen des UN-Umweltprogramms (UNEP). Denn die freie Lagerung und Verbrennung des Mülls führt zur Belastung des Grundwassers und der Luft. Blutproben bei 328 Kindern und Jugendlichen zwischen zwei und achtzehn Jahren brachten erschreckende Ergebnisse: Bei der Hälfte der Kinder liegt die Bleikonzentration im Blut über den Grenzwerten. Wer dort lebt und arbeitet, stirbt früh.

Es ist höchste Zeit die Grauzonen des Müllhandels zu schließen und die ProduzentInnen auch in den Entsorgungsprozess zu integrieren und in die Verantwortung zu nehmen. Das Ziel muss lauten: Produktdienstleistungssysteme, bei denen Kaufen durch Leasen ersetzt wird. „Nutzen anstatt besitzen“ und nach der Nutzungsdauer zurück zum Produzenten und von dort retour in den Stoffkreislauf.
 
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VON DER WIEGE ZUR WIEGE

Im Kontext dieser Probleme präsentiert sich das „Cradle to Cradle®“ Konzept (Random House UK, Januar 2009; M.Braungart, W.McDonough; ISBN 978-0099535478) von Dr. Michael Braungart. Aktuelle Bestrebungen versuchen vor allem die Ökoeffizienz zu steigern. Vom Punkt des Abbaus der Primärstoffe, über die Produktion hin zum Konsum bis zur Entsorgung der Reststoffe – von der Wiege zur Bahre – wird versucht zu optimieren. Die Ressourcenproduktivität soll drastisch erhöht werden.

Braungarts Konzept will dabei nicht die Effizienz, sondern die Effektivität erhöhen. Cradle to Cradle® bedeutet „Von der Wiege zur Wiege“. Für ihn ist Abfall gleich Nährstoff. Seine Forderung: Remaking the way we make things.

Die Öko-Effektivität ist für Braungart eine Cradle to Cradle® Design Strategie, die gleichzeitig ökonomische, ökologische und soziale Werte berücksichtigt und die Voraussetzungen schafft, dass eine humane, sichere, profitable und regenerative Industrie "intelligente" und gesunde Produkte herstellen kann. Er plädiert für ein neues Bewusstsein. „Von der Wiege zur Wiege“ ist nach Braungarts Definition ein Modell für industrielle Prozesse, in dem alle Materialien in geschlossenen biologischen oder technischen Kreisläufen fließen. "Abfälle" existieren in diesem Sinne nicht, d.h. "Abfall" ist – wie in der Natur – gleichbedeutend mit "Nahrung".
 
Biologische Nährstoffe sind dabei das Grundmaterial, das von Organismen – auch auf zellulärer Ebene – genutzt wird, um Lebensprozesse aufrecht zu erhalten. Technische Nährstoffe sind hingegen ein Material, das so konzipiert ist, dass es fortwährend in geschlossenen industriellen Kreisläufen fließt. Braungart fordert eine neue Öko-Intelligenz. Heißt: Elegante Lösungen im Umgang mit Ressourcen, die nach dem Muster natürlicher Systemen und Prozessen funktionieren (z. B. durch Nährstoff-Kreisläufe, Wechselbeziehungen, "Feier" von Vielfalt, Nutzung der Sonnenenergie, Regeneration etc.).
 
Wirtschaft zeigt sich interessiert

Von der Wirtschaft wird sein Konzept augenscheinlich positiv aufgenommen, so verlangt es eben nicht – wie viele andere – eine Reduzierung von Produktion und Konsum, sondern nur dessen Neugestaltung im Sinne eine Öko-intelligenten Designs.

"Während die herkömmlichen Strategien der "öko-effizienten" Ansätze sich bemühen, die unbeabsichtigten negativen Konsequenzen von Produktions- und Konsumprozessen unter quantitativen Aspekten zu reduzieren und zu minimieren, stellt der öko-effektive Ansatz einen Qualitätsansatz dar, der darauf beruht, die Möglichkeiten der Industrie so zu verbessern, dass natur- und umweltunterstützende Produkte und Prozesse möglich werden. Die funktionierenden Wechselwirkungen zwischen natürlichen Systemen legen nahe, dass die Etablierung von nachhaltigen Systemen der Produktion und des Konsums keine Frage der Reduzierung der Größe unseres "ökologischen Fußabdrucks" ist, sondern die Herausforderung ist eher, wie dieser "Fußabdruck" als nie versiegende, unterstützende Quelle für natürliche Systeme errichtet werden kann"
 
Quelle: https://www.braungart.com/visionDE.htm

Neuesten Meldungen zufolge (Quelle: EPEA) plant die Kalifornische Regierung unter Arnold Schwarzenegger die Errichtung eines eigenen Cradle to Cradle® Institutes. Unter dem Namen „Green Products Innovation Institute“ soll der Standort die weltweite Akkreditierungsstelle für Cradle-to-Cradle-Zertifizierungen werden. Denn: Cradle to Cradle® ist als Marke geschützt, alle Zertifizierungen für Unternehmen, die den Begriff für Ihre Produkte verwenden wollen, laufen über das EPEA , das internationale Forschungs- und Beratungs- Institut von Dr. Braungart.

Und auch in Europa tut sich was. Im limburgischen Maastricht kam es bereits 2007 zu dem legendären Beschluss: "Lets cradle". Damit erklärte sich die südlichste der zwölf niederländischen Regionen zur weltweit ersten "Cradle to Cradle®"-Region. Auch in Kitzbühel (Tirol) wird derzeit am ersten Cradle to Cradle® Business Park gebaut, an dem sich auch der Holzhaus Experte Erwin Thoma beteiligt.

Den Vorwurf, dass Braungart’s Konzept zwar nett klänge, es aber keine Chance auf eine breite Umsetzung habe, wird die Zeit beantworten. Er trifft mit seinem System der Zertifizierung aber ein großes Bedürfnis der Wirtschaft. Ein rasches Hervorheben von der Konkurrenz, ein grüner Anstrich mit Hilfe eines Labels, das durch den Zertifizierungsprozess mehr als nur „green-washing“ versichert. Diese Glaubwürdigkeit ist das Kapital des Konzeptes, die Etablierung eines neuen Standards in unserer Konsumgesellschaft ein kluger Schachzug. Denn was schon bei Lebensmittel klappt, kann nun auf komplexere Produkte übertragen werden.
 
Cradle to Cradle® hat somit die Chance das Bio/Fair Trade Label der technischen Industrie zu werden.
Skepsis wird dem Cradle to Cradle® Konzept vor allen im Bezug auf die Mengenfrage entgegen gebracht. Denn selbst wenn wir die Wirtschaft so umgestalten, dass die Rohstoffe in technischen Kreisläufen nicht mehr verbraucht werden, so bleibt der Bedarf an den Primärstoffen ungebrochen hoch – und wächst mit dem Aufschwung der Dritte Welt Länder. Produzierende Konzerne können dem Konzept natürlich viel abgewinnen – denn der Ausblick, mit technischer Innovation alle Probleme zu lösen, ohne gleichzeitig etwas am Wachstums-Dogma zu ändern, lässt sich gut in die Strategieplanung einbringen.

Man dürfe nicht weiter die falschen Dinge besser machen, sondern müsse endlich die richtigen Dinge tun – das wiederholt Braungart in seinen Vorträgen gerne. Durch konsequentes Redesign der Prozesse und Produkte müsse man eben nicht mehr sparen und verzichten. Und gerade das wird von anderen stark bezweifelt. Es sei wohl unmöglich, die Stoffkreisläufe der menschlichen Wirtschaft ohne Massen- und Energieverluste zu schließen und in die stofflichen Umsätze der Natur einzugliedern, ohne diese dabei zu schädigen.

Ohne Zweifel zeichnet Braungart mit der Perspektive, vom „Verbraucher“ zum „Gebraucher“ zu werden, ein schönes Bild der Zukunft, das man gerne umgesetzt haben möchte.
 
Provokante Abgrenzung

Braungart provoziert gerne und möchte sich bewusst von der aktuellen Nachhaltigkeitsbewegung abgrenzen, was ihm nicht nur Freunde gemacht hat. Vor allem das Ausspielen und Gegenüberstellen von Ökoeffizienz und Ökoeffektivität erhitzt den wissenschaftlichen Diskurs.

Von außen betrachtet erscheint es ein wenig absurd, dass sich AkteurInnen und VordenkerInnen für eine nachhaltige Entwicklung damit beschäftigen, ihre eigenen Konzepte als die einzig richtigen zu positionieren indem andere klein gemacht und schlecht geredet werden. Ein kurzsichtiger Dualismus, der unnötig Energie verschwendet? Zielführender wäre wohl ein respektvolles Nebeneinander, bei dem beide Strömungen verfolgt werden dürfen. Denn man braucht wohl beide. Sowohl die Dematerialisierung, also das Einsparen, und eben auch die Rematerialisierung, das Wirtschaften in geschlossenen Kreisläufen. Und das Ganze auf regionaler Ebene, denn ein globales System würde an der eigenen Komplexität scheitern.

Doch eine Frage bleibt: Würde Dr. Braungart’s Konzept von Cradle to Cradle® ebenso viel Aufmerksamkeit erzielen, wenn er eben nicht eine aggressive Kontraposition zum etablierten Nachhaltigkeitsdenken eingenommen hätte? Ist nicht genau diese Spannung, dieser Schlagabtausch das Erfolgsgeheimnis neuer Konzepte? „Differenzieren oder Verlieren“ (Redline Wirtschaft, März 2003; J.Trout; ISBN-13: 978-3478254700) lautet der Titel eines der meistgelesenen Marketingbücher der letzten Jahre und vielleicht hat ja auch Dr. Braungart dieses mal in den Händen gehabt.

Die große Herausforderung einer ökoinnovativen Kreislaufwirtschaft verlangt dann wohl doch ein Miteinander aller AkteurInnen. Denn am Ende des Tages geht es nicht um Begrifflichkeiten und Konzepte, sondern um eine lebenswerte Zukunft und überlebensfähige Gesellschaft.
 
 

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Hinweis: Lesen sie zum Thema auch die Beiträge im Dialog des Monats von Hans Roth (Saubermacher), Dr. Friedrich Hinterberger (Sustainable Europe Research Insitute) und Dr. Wolfram Tertschnig (Lebensministerium), sowie das Interview mit Dr. Michael Braungart als Person des Monats.
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WEITERFÜHRENDE LINKS
 
Erste Unternehmen versuchen engagiert das C2C Konzept zu realisieren. Kongresse und Netzwerke versuchen den Austausch zu stärken und Plattformen zu etablieren.

Ökonomie der Zukunft: Cradle to Cradle® Kongress

Ein Rückblick auf den von der Plattform „Ökonomie der Zukunft“ organisierten, ersten Cradle to Cradle® Kongress in Österreich. Eine Wiederholung 2011 ist möglich. Auf der Website finden sich auch alle Vorträge im Videoformat und weiterführende Links zum Thema.

Link: https://www.oekonomie-der-zukunft.at/cradle-to-cradle

Pilotprojekt.at

Das Leitvorhaben der Plattform ist die Verwirklichung des Cradle to Cradle® Design-Konzepts in Form von urbanen und regionalen Entwicklungsstrategien für den Großraum Graz in Österreich. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung werden Maßnahmen zur Integrierung von Cradle to Cradle® Design in Industrie und Unternehmen, in Architektur und Wohnbau, in Infrastruktur und Mobilität, in Bildung und Forschung entwickelt. Damit soll die Wettbewerbsfähigkeit der regionalen Wirtschaft und die Lebensqualität gesteigert werden.

Pilotprojekt.at kooperiert mit Dr. Braungart und der EPEA und möchte die entsprechenden Akteure vernetzen und die notwendigen, fachlichen, Grundlagen vermitteln.

Quelle und weitere Informationen: www.pilotprojekt.at

Waste=Food, Dokumentarfilm

Ein 2006 veröffentlicher Dokumentarfilm (49 min) über das Cradle to Cradle® Konzept. Der Film ist online in voller Länge verfügbar.

Director: Rob van Hattum; Research: Gijs Meijer Swantee; Production: Karin Spiegel & Madeleine Somer; Editors in Chief: Doke Romeijn & Frank Wiering; © VPRO 2006
 
Link: https://www.vpro.nl/programma/tegenlicht/afleveringen/

Nie mehr Müll – Leben ohne Abfall

Ein vom WDR produzierter Beitrag (45 min). In voller Länge im Web verfügbar.

Link: https://www.filmefuerdieerde.ch/index.php?article_id=197
 
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Cradle to Cradle® zertifizierte Unternehmen

Nachfolgende Unternehmen arbeiten mit Dr. Braungart zusammen und sind vom EPEA als Cradle to Cradle® Unternehmen zertifiziert.

Backhausen

Der österreichische Textilhersteller Backhausen hat mit „Returnity®“ einen Cradle to Cradle® zertifizierten Stoff entwickelt. Mit einem umweltfreundlichen, chemischen Optimierungsverfahren sind die Stoffe komplett wiederverwertbar – werden gänzlich in einen technischen Stoffkreislauf zurück geführt und für neue Produkte wiederverwendet.

Quelle und weitere Informationen: www.returnity.at

gugler* cross media

Das österreichische, umweltfreundliche Medienhaus gugler* verfolgt die Entwicklung von Cradle to Cradle® fähigen Druckprodukten und möchte damit an die bereits umgesetzten, ökologischen Innovationen der letzten Jahre anschließen.

Quelle und weitere Informationen: https://www.vonderwiegezurwiege.at

Desso

Das niederländische Unternehmen DESSO ist der erste, internationale Teppichbodenhersteller im Wirtschaftsraum Europa, der das Cradle to Cradle® Konzept implementiert hat.

Weitere Infos: www.desso.com

Weitere EPEA Fallstudien

Eine Auswahl von weiteren Unternehmen, die das Cradle to Cradle® Prinzip umgesetzt haben, gibt es auf der Website des EPEA.

Link: https://epea-hamburg.org/cradle-to-cradle/fallstudien.html

About

Nachhaltigkeit + die Entdeckung Trojanischer Pferde…

Populäre Projektionen dessen, wie eine Bewusstseinsveränderung aussehen wird, sind in den meisten Fällen nur eine Neugestaltung der „alten Denkschablonen „. Eine größere, bessere Box, in der das Paradigma aufgewertet wird, das die Bedingungen verbessert, unter denen wir unsere Sucht auf eine „grüne“ Art und Weise genießen können.

So wichtig wie das ökologische Bewusstsein ist, es ist nicht genug. Das neue Paradigma kann nicht aus der intellektuellen Abstraktion einer dualistischen Interpretation einer „besseren Welt“ verwirklicht werden, die auf der Infrastruktur der existierenden Varianten-Matrix aufbaut, die dieses Paradigma erzeugt.

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